Nachrichtenportale im Internet schmücken ihre Artikel häufig mit passenden Bildern oder Videos. Neben Archivmaterial sind natürlich Fotos und Aufnahmen des Ereignisses selber ein beliebter Blickfänger. Insbesondere bei aktuellen Nachrichten stellt sich dabei aber die Frage, wie in der kurzen Zeit die entsprechenden Nutzungsrechte der Urheber eingeholt werden konnten. Ein aktuelles Beispiel zeigt den schmalen Grat zwischen Schutz und Einschränkung des Urheberrechts.

Vor etwas mehr als einer Woche postete der FDP-Politiker Tobias Huch ein umstrittenes Video auf seiner Facebook-Seite. Im Video ist er zu sehen, wie er eine Frage an die Kämpfer des IS auf eine Panzerfaustgranate schreibt. Das sei die einzige Möglichkeit mit den Islamisten zu reden, behauptet er. Diese Aktion wird von zahlreichen Nachrichtenportalen aufgegriffen. In den entsprechenden Artikeln werden teilweise seine Facebook-Posts und auch Ausschnitte aus dem Video sowie das Video selbst gezeigt.

Ein paar Tage später meldete sich Enno Lenze, die Person, die das Video gefilmt hat, zu Wort. In einem Blogbeitrag kritisiert er die Einbindung des Videomaterials durch die Nachrichtenportale, da er dazu nie sein Einverständnis gegeben hatte.

Gerechtfertigt durch das Zitatrecht?

Als Rechtfertigung für eine solche Handlung wird meistens das Zitatrecht angeführt. Diese sogenannte „Schranke“ des Urheberrechts in § 51 UrhG erlaubt die teilweise oder komplette Übernahme eines urheberrechtlich geschützten Werks. Natürlich ist das bei dem strengen deutschen Urheberrecht nur in engen Grenzen erlaubt.

Wie wird das Zitat verwendet?

Der Kern des Zitatrechts besteht darin, dass ein Zitat nur verwendet werden darf, wenn es eine sogenannte „Belegfunktion“ erfüllt. Damit ist eine „innere Verbindung“ zwischen dem zitierten Werk und dem zitierenden Werk gemeint. Konkret heißt das, dass die zitierten Fotos oder Videos eine gewisse Funktion innerhalb des Artikels haben. Der Autor muss sich in seinem Artikel mit den Fotos oder Videos inhaltlich auseinandersetzen, sie als Beleg für seine Aussagen nutzen und ihnen damit einen gewissen Zitatzweck geben.

Ein Zitat ist unzulässig, wenn es lediglich zur Ausschmückung des eigenen Werks dient oder wenn man von der Popularität des Zitats profitieren möchte.

Zur Entscheidung inwiefern ein Zitat sach- und zweckdienlich ist, betrachten Gerichte häufig den Umfang des Zitats. Das heißt jedoch nicht, dass ein verhältnismäßig langes Zitat nie zulässig ist. Bei einer entsprechenden Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk kann ein zulässiges Zitat auch angenommen werden, wenn es einen überdurchschnittlichen Teil der Berichterstattung ausmacht (OLG Köln ZUM 2010, 367). Wenn man sich bei einem Zitat unsicher ist, dann sollte man sich immer fragen: Ist das Zitat notwendig um mein Werk zu verstehen?

Im konkreten Fall:

Was heißt das jetzt für den Fall von Enno Lenze und Tobias Huch?

Fast alle Nachrichtenportale verwendeten Screenshots aus dem Video zur Bebilderung des Artikels. Das ist eindeutig nicht von der Zitierfreiheit des § 51 UrhG gedeckt. Während ein Textzitat eine Auseinandersetzung mit dem Text erfordert, erfordert ein Bildzitat eine Auseinandersetzung mit dem Bild. In den jeweiligen Artikeln geht es aber darum, dass Tobias Huch die Frage auf die Panzerfaustgranate schreibt, nicht wie es aussieht. Der Leser benötigt das Bild nicht um die Kritikwürdigkeit des Vorgangs, also das eigentliche Thema des Artikels nachvollziehen zu können. Bei den Bildern handelt es sich also um reines Ausschmücken.

Das gleiche gilt für Screenshots von Postings im Facebook-Profil des Politikers. An diesem Beispiel wird der Unterschied von einem unzulässigen zu einem zulässigen Zitat deutlich:

Ein zulässiges Zitat liegt vor, wenn der Autor eines Artikels zum Beispiel die Erklärung von Tobias Huch, warum er die Frage auf die Panzerfaustgranate schreibt, in seinen Artikel übernimmt. Gleiches gilt für einzelne Teile eines Facebook-Posts, wenn sich anschließend darauf bezogen wird. Denn der Leser muss die zitierten Aussagen kennen, um den Artikel zu verstehen. Screenshots von kompletten Postings sind hingegen unzulässig.

Das kann jeder nachvollziehen, der schon einmal eine Hausarbeit geschrieben hat: Es wird nur das zitiert, was für die eigene Arbeit wichtig ist, niemand druckt ein komplettes Buch als Beleg ab.

Privileg von Nachrichtenmagazinen

Damit dürfte klar sein, dass die Übernahme des Videos selber, also des kompletten Materials (an dem Enno Lenze natürlich die ausschließlichen Rechte hat), ebenfalls nicht zulässig sein kann.

Allerdings gibt es noch eine weitere Sache, die bei Diskussionen rund um das Zitatrecht nicht vergessen werden darf: § 50 privilegiert die Nachrichtenberichterstattung, indem Journalisten die Übernahme urheberrechtlich geschützten Materials im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse erlaubt ist.

Die Anwendbarkeit dieser Norm ist stark einzelfallabhängig und wird nach Faktoren wie Aktualität, Öffentlichkeitsinteresse und politischer, wirtschaftlicher oder religiöser Relevanz beurteilt. Inwiefern das auf den konkreten Fall zutrifft ist sehr fraglich, zumal ähnliche Maßstäbe wie an das Zitatrecht angelegt werden und ein bloßer Link auf die öffentliche Facebook-Seite von Tobias Huch ausgereicht hätte.

Kein Zitat ohne Quellenangabe

Die Beurteilung dieser Frage kann aber auch dahinstehen, da es noch ein ganz anderes Problem gibt. Sowohl § 50 als auch § 51 UrhG werden durch die Pflicht zur Quellenangabe (§ 63 UrhG) eingeschränkt. Diese Grenze der Zitierfreiheit trägt dem Recht des Urhebers auf Anerkennung13 UrhG) Rechnung. Einfach gesagt: Ein Zitat ist nur ein Zitat, wenn Fundstelle und Urheber genannt werden.

Quellenangaben wie „Quelle: Youtube“ oder „Quelle: Facebook“ werden dem nicht gerecht. Einige Nachrichtenportale haben die bemängelten Bilder und Videos gelöscht. Auf der Seite von Enno Lenze sind jedoch noch einige Beispiele zu sehen. Abgesehen davon, dass ein Verweis auf den Urheber fehlt, haben einige Nachrichtenportale die Videos sogar mit ihrem eigenen Logo versehen. Die Darstellung eines fremden urheberechtlich geschützten Werks als das eigene nennt man auch „Plagiat“.

Fazit

Richtiges Zitieren ist nichts, was nur für Schule oder Studium von Bedeutung ist. Gerade im Internet ist fremdes Urheberrecht schnell verletzt. Die Rechtfertigung der Übernahme fremden geistigen Eigentums als „Zitat“ ist zwar häufige Praxis, aber selten auch gerechtfertigt.

Für Nachrichtenportale heißt das natürlich nicht, dass sie ihre Artikel nicht mit passenden Bildern und Videos anschaulich gestalten dürfen. Allerdings brauchen sie bei fremden Material eine Lizenz.