Der BGH hat ein enorm verbraucherfreundliches Urteil im Abgasskandal gesprochen, was für tausende betroffene Kunden wegweisend werden kann. Neben den bekannten Thermofenstern habe es die Vorinstanz versäumt, auch weitere inzwischen bekannte Abschalteinrichtungen zu prüfen. Die Chancen auf Schadensersatz jedenfalls standen nie so gut.

Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Abgasskandal spricht eine deutliche verbraucherfreundliche Sprache. Zwar hat der BGH erneut herausgestellt, dass „der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen“. Insofern müssen zur Sittenwidrigkeit „weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen“, so der BGH.

Aber: Es geht im Abgasskandal bei Daimler schon lange nicht mehr nur ums Thermofenster, sondern auch um weitere Abschalteinrichtungen z.B. um eine Manipulation des Kühlmittelsystems. Und genau hier hat auch der BGH nun angesetzt und das Verfahren an die Vorinstanz zurückverwiesen: „Unter den Umständen des Einzelfalles rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber konkreten Sachvortrag des Klägers zu einer der weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen als prozessual unbeachtlich angesehen. Aus diesem Grund war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen hierzu treffen kann“ (Az. VI ZR 128/20).

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Worum es im Verfahren geht

In der Sache selbst klagte der Käufer eines Mercedes-Benz mit dem Typ C 220 CDI BlueEfficiency gegen den Fahrzeughersteller. Das Fahrzeug, das der Kläger im Oktober 2012 zu einem Kaufpreis von 35.000 € gekauft hatte, ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegt der Schadstoffklasse Euro 5. Es unterliegt daher keinem verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

Die Abgasreinigung des Fahrzeugs erfolgt über die Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt wird, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert („Thermofenster“), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außen-/Ladelufttemperaturen dies der Fall ist.

Der Kläger behauptet, Daimler als Beklagte habe durch den Einbau des Thermofensters und verschiedener weiterer (!) Abschalteinrichtungen in verbotener Weise Einfluss auf das Emissionsverhalten genommen, so im Typgenehmigungsverfahren die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vorgespiegelt und den Kläger dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises zuzüglich Finanzierungskosten, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und abzüglich einer Nutzungsentschädigung.

Neben Thermofenstern auch andere Abschalteinrichtungen

Der BGH urteilte nun zwar zunächst, dass Thermofenster für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen. Dennoch verwies er die Sache allerdings an das OLG Koblenz zurück.

Und der Grund für die Zurückweisung zeigt deutlich, dass es zu Recht große Chancen für betrogene Kunden gibt, Schadensersatz einzufordern, denn unserer Auffassung nach bringt Daimler verschiedene unzulässige Abschalteinrichtungen in den Motoren zum Einsatz. Unter anderem sollen Softwarefunktionen in der Motorsteuerung Anhand von Geschwindigkeit, Beschleunigungswerten und des Lenkwinkeleinschlags erkennen, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. 

Darauf aber war das OLG in seinem Urteil nicht eingegangen. Der BGH verlangt nun vom Koblenzer Gericht, dass es die “erforderlichen Feststellungen hierzu treffen” soll. Schließlich ist die Vielzahl der Manipulationen ein Grund dafür, warum sich die verbraucherfreundliche Wende im Daimler-Abgasskandal vor deutschen Gerichten in den vergangenen Monaten vollzogen hat.

Chancen auf Schadensersatz waren nie größer

Das Urteil darf daher als enormer Erfolg für betroffene Kunden gewertet werden. Es hat sich für den Kläger gezeigt, dass ein Schadensersatzanspruch sehr wohl bestehen kann, wenn er in seinem Sachvortrag eine sittenwidrige Gesinnung beweisen kann. Gelingt ihm dies, bedeutet das einen Erfolg für zig Tausende weitere Kläger. Denn wenn für einen Motor der Schädigungsvorsatz des Herstellers hinreichend bewiesen werden kann, dürfte dieser für den Motor universell gegeben sein. Zahlreiche Schadensersatzforderungen hätten dann Erfolg.

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tsp