Der BGH hat erstmalig darüber entschieden, dass Käufer, die ihren manipulierten Diesel behalten wollen, auch von der VW AG Schadensersatz wegen Wertminderung verlangen können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass dem Käufer eines manipulierten Dieselfahrzeugs ein sogenannter kleiner Schadensersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz des „Minderwerts“) zustehen kann. Das heißt: Betrogene Besitzer eines Fahrzeugs müssen ihr Fahrzeug nicht zurückgeben, sondern können ihr Fahrzeug behalten und von z.B. der Volkswagen AG den Betrag ersetzt verlangen, um den sie das Fahrzeug – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben haben (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021, Az. VI ZR 40/20).
Ersatz des Minderwerts für manipulierten VW Passant
Die Klägerin im Verfahren erwarb im Juli 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Passat Variant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Volkswagen AG ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Im Jahr 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber VW den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge an. VW entwickelte in der Folge ein Software-Update, das vom KBA freigegeben und auch im Fahrzeug der klagenden Frau aufgespielt wurde.
Mit ihrer Klage hat die betrogene Fahrzeug-Käuferin beantragt, VW zum Ersatz des Minderwerts des Fahrzeugs zu verurteilen und die Verpflichtung VWs festzustellen, ihr die weiteren über den Minderwert hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren würden.
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Betrogene Diesel-Käufer haben Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht im Wege des Grundurteils den Anspruch auf Ersatz des Minderwerts für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung gegen die Abweisung der Feststellungsklage hat es zurückgewiesen.
Urteil des BGH
Die Revision von Volkswagen, mit der diese die vollständige Klageabweisung begehrte, blieb ohne Erfolg, ebenso die Revision der Klägerin, mit der diese ihren Feststellungsantrag weiterverfolgte.
VW, so urteilte nun der BGH, sei der Fahrzeug-Käuferin gegenüber dem Grunde nach zum Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet (hierzu auch unser Beitrag zum BGH-Urteil vom 25. Mai 2020, VI ZR 252/19).
Die betrogene Käuferin könne deshalb, wie sich aus dem genannten BGH-Urteil ergebe, Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeugs verlangen (sogenannter großer Schadensersatz).
Sie könne aber auch stattdessen das Fahrzeug behalten und von VW den Betrag ersetzt verlangen, um den sie das Fahrzeug – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben habe (sogenannter kleiner Schadensersatz). Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes sei zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.
Sollte allerdings das Software-Update VWs, das gerade der Beseitigung der unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware diene, das Fahrzeug aufgewertet haben, so sei dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Dabei seien in die Bewertung des Vorteils etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile einzubeziehen, so der BGH. Ob und in welchem Umfang eine Differenz zwischen dem objektiven Wert des Fahrzeugs und dem Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufs bestanden habe und ob und inwieweit sich durch das Software-Update diese Wertdifferenz reduziert habe, muss noch im nunmehr folgenden Betragsverfahren festzustellen sein.
tsp