Am 25. November hat der BGH darüber entschieden, dass auch die VW-Tochter Audi wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Dieselskandal haftet, auch wenn sie eigentlich Motoren von VW eingebaut hatten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in gleich vier Fällen zum Dieselskandal entschieden und die Volkswagen-Tochter Audi zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Es ging um die Frage, ob auch Audi Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen muss, obwohl der Autohersteller manipulierte Motoren des Typs EA 189 von VW eingebaut hatte (Az. VII ZR 238/20, 243/20, 257/20 und 38/21). Dies bestätigte nun der BGH, da das Oberlandesgericht (OLG) München in nicht zu beanstandender Weise festgestellt habe, dass Audi die Motoren in voller Kenntnis und im Bewusstsein ihrer Unzulässigkeit verwendete.

Der BGH hatte bereits am 25.05.2020 entschieden, dass VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung für die unzulässige Abschalteinrichtung haftet (Az. VI ZR 252/19). Diese Rechtsprechung hat der BGH nun auch auf Audi ausgedehnt.

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Darum ging es in diesen Fällen

In allen vier Verfahren nehmen die jeweiligen Kläger Audi als Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung in ihren Autos in Anspruch:

  • Der Kläger im Verfahren VII ZR 238/20 erwarb im April 2014 einen Audi Q5 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 20.500 €.
  • Die Klägerin im Verfahren VII ZR 243/20 erwarb im März 2014 einen Audi A3 1.6 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 12.000 €.
  • Der Kläger im Verfahren VII ZR 257/20 erwarb im November 2014 einen Audi A5 Sportback 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 29.970 €.
  • Der Kläger im Verfahren VII ZR 38/21 erwarb im Juni 2009 einen neuen Audi A4 2.0 TDI zum Preis von 30.526,80 €.


Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über unzulässige Abschalteinrichtung, welche den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Nach Bekanntwerden der „Umschaltlogik“ verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt Audi zur Entfernung der Software zur unzulässigen Abschalteinrichtung und außerdem dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update die Autos aller vier Kläger aufgespielt.

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Bisheriger Prozessverlauf

Die Kläger verlangen nun von Audi die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Das OLG München hatte zu den vier Verfahren ausgeführt:

Die Kläger hätten gegen die Audi AG einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Audi hafte nicht allein aufgrund einer Zurechnung fremden Fehlverhaltens, sondern im Kern aufgrund eigenen deliktischen Handelns. Dies beruhe darauf, dass Audi die Autos mit einer manipulativen, auf Täuschung ausgerichteten unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe. Audi habe auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung die Typgenehmigungsbehörde und die Kunden arglistig getäuscht. Als Fahrzeugherstellerin sei sie für alle Belange des Typgenehmigungsverfahrens verantwortlich und verpflichtet gewesen, den Motor eigenständig auf Gesetzmäßigkeit zu überprüfen. Sie habe gegenüber der Genehmigungsbehörde zumindest indirekt erklärt, dass das Fahrzeug die gesetzlichen Vorschriften einhalte und insbesondere über keine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge.

Audi habe das Typgenehmigungsverfahrens auch nicht in zulässiger auf die Volkswagen AG übertragen dürfen – dies begründe ein sogenanntes Organisationsverschulden. Audi müsse sich das Wissen der Volkswagen AG von der unzulässigen Abschalteinrichtung, von dem auszugehen sei, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da die Volkswagen AG in ihrem Auftrag im Typgenehmigungsverfahren tätig geworden sei.

Hinzu komme, dass das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und Begrenzung der Stickoxidemissionen zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einbaus des Motors allgemein bekannt gewesen sei und durch das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen noch an Bedeutung gewonnen habe. Audi stelle selbst Dieselmotoren nebst Steuerungstechnik her. Es sei nicht plausibel, dass sich keiner ihrer Verantwortlichen dafür interessiert habe, ob und wie die Volkswagen AG den Zielkonflikt beim Motor EA 189 gelöst haben könnte.

Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung nach § 826 BGB seien ebenfalls erfüllt. Es scheine ausgeschlossen, dass die Beklagte den Motor ohne eigene Prüfung und Kenntnis der wesentlichen Merkmale „blind“ in ihre eigenen Fahrzeuge eingebaut habe. Es liege vielmehr auf der Hand, dass im Unternehmen der Beklagten mindestens ein handelnder Repräsentant an der Entscheidung über die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung beteiligt gewesen sei. Dies folge aus der Tragweite der Entscheidung, aber auch aus den Umständen.

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat mit seinen vier heute verkündeten Urteilen die Revisionen von Audi zurückgewiesen. 

Das OLG München habe im Ergebnis in allen vier Fällen einen Schadensersatzanspruch der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen. Es habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter Audis im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht habe. Audi habe sittenwidrig gehandelt, indem sie Fahrzeuge mit dem von der Volkswagen AG gelieferten Motor EA 189, darunter die streitgegenständlichen Fahrzeuge, in den Verkehr brachte, obwohl wenigstens eine verantwortlich für Audi handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet war.

Die Münchener OLG-Richter hätten revisionsrechtlich in nicht zu beanstandender Weise selbständig tragend die freie tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten beteiligter Repräsentant Audis im Sinne des § 31 BGB von der – evident unzulässigen – „Umschaltlogik“ gewusst habe.

Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Der BGH könne insoweit nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt habe, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich sei und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoße. Rechtsfehler in diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.

ahe