Der Dieselskandal hat ab 2015 nicht nur die Autobranche erschüttert, sondern auch Dieselkäufer schwer getroffen. Seitdem haben sich viele von ihnen erfolgreich Schadensersatzansprüche insbesondere gegen die Hersteller durchgesetzt. Nun hat der BGH erneut entschieden, dass die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage auch noch im Jahr 2019 die Verjährung gehemmt hat. Ein äußerst erfreuliches Urteil für viele Verbraucher, die noch Klagen gegen den Autobauer offen haben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass VW sich nicht auf die Verjährung berufen kann, wenn sich der klagende Autokäufer zuvor zur Musterfeststellungsklage angemeldet hatte. Das gilt auch dann nicht, wenn die Anmeldung erst 2019 erfolgte. Denn die Verjährung war bereits 2018 durch die generelle Erhebung der Musterfeststellungsklage gehemmt. Auf den Zeitpunkt der individuellen Anmeldung zur Musterfeststellungsklage des klagenden Autokäufers komme es daher nicht mehr an. (Urt. v. 27.02.2022, Az. VII ZR 303/20).

Offen blieb damit aber die Frage, wann die Verjährung überhaupt zu laufen begonnen hatte. VW behauptet, sie habe bereits 2015 zu laufen begonnen, der Kläger berief sich auf einen späteren Zeitpunkt.

Darum ging es in dem Fall

Der klagende Autokäufer wollte von der Volkswagen AG Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) erhalten. Konkret verlangt er, dass VW sein Auto zurücknehmen und ihm den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten soll. Denn der Dieselmotor des Typs EA189 (EU 5) seines Golf VI 2.0 TDI, den er 2011 für 22.607 Euro von einer KfZ-Händlerin gekauft hatte, gehörte zu den manipulierten. In dem Fahrzeug war eine Motorsteuerungssoftware verbaut, durch die auf dem Prüfstand bessere Stickoxidwerte erzielt wurden als im realen Fahrbetrieb. Der BGH hatte bereits 2020 entschieden, dass ein solcher Anspruch grundsätzlich besteht (Urt. v. 25. Mai 2020, Az. VI ZR 252/19).

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Anmeldung zur Musterfeststellungsklage hemmt Verjährung

Nach § 195 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von Umständen, die den Anspruch begründen, sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

VW ist der Ansicht, die Verjährungsfrist habe bereits Ende 2015 begonnen und sei somit Ende 2018 abgelaufen. Der Kläger war hingegen der Ansicht, die Frist habe noch nicht Ende 2015 begonnen, weil er selbst im Jahr 2015 noch keine Kenntnis von der Manipulation seines Fahrzeugs gehabt habe. Dies ist aber nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Diese Frage beantwortete der BGH in seinem Urteil nun nicht, weil die Verjährung in jedem Fall noch innerhalb der Frist gehemmt worden sei.

Seine zwischenzeitliche Anmeldung zur Musterfeststellungsklage habe die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt. Zwar war im Verfahren unklar, zu welchem Zeitpunkt der Autokäufer sich angemeldet hatte – noch im Jahr 2018 oder erst im Jahr 2019. Dies konnte aber letztlich dahinstehen, weil es reichte, dass die Musterfeststellungsklage selbst bereits im Jahr 2018 erhoben worden war. Damit war es irrelevant, wann sich der Kläger dazu angemeldet hatte.

Kein Rechtsmissbrauch

Auch, dass er sich später wieder abgemeldet hatte, war für die Entscheidung ohne Bedeutung. Denn das Gesetz sieht vor, dass auch nach einer Abmeldung von der Musterfeststellungsklage noch eine sechsmonatige Frist laufe, in der die Verjährung weiterhin gehemmt sei (§ 204 Abs. 2 Satz 2 BGB). Innerhalb dieser Frist habe der Kläger seine Individualklage erhoben. Die An- und Abmeldung von der Musterfeststellungsklage sei auch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Der Gesetzgeber habe bewusst die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister und der anschließenden Individualklage eingeräumt und für diesen Fall eine spezifische Regelung über eine nachlaufende Verjährungshemmung getroffen. Wer diese Möglichkeit nutze, mache einfach nur von seinen gesetzlichen Rechten Gebrauch.

Bereits mit Urteil v. 29. Juli 2021, Az. VI ZR 1118/20 hatte der BGH in einem anderen Fall entschieden, dass 2019 noch keine Verjährung eingetreten war – allerdings blieben damals noch einige Fragen offen, die der BGH nun teilweise geklärt und damit Rechtssicherheit für viele vom Abgasskandal betroffene Verbraucher geschaffen hat.

ahe