Der Generalanwalt des EuGH machte in seinen Schlussanträgen deutlich: Thermofenster, die schon bei normalen Außentemperaturen zu höheren Schadstoffemissionen führen, sind unzulässige Abschalteinrichtungen. Bei Kaufverträgen über ein solches Auto liege deshalb ein Mangel vor. Für Verbraucher steigen die Chancen auf Schadensersatz.
Der Generalwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geht in seinen Schlussanträgen davon aus, dass Thermofenster EU-rechtswidrige Abschalteinrichtungen sind (23.09.2021, C-128/20 GSMB Invest, C-134/20 Volkswagen und C-145/20 Porsche Inter Auto und Volkswagen). Das gekaufte Fahrzeug sei daher nicht dem Kaufvertrag gemäß. Demnach würde hier ein Mangel vorliegen.
Sollte das Thermofenster in Dieselmotoren vom EuGH für illegal erklärt werden, steigen für Verbraucher die Chancen, ihre berechtigten Ansprüche im Abgasskandal gegen Autohersteller wie VW, Daimler, Fiat, BMW und Opel vor Gericht durchzusetzen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der EuGH den Schlussanträgen folgen wird. Denn bereits in seinem Urteil zu anderen Abschalteinrichtungen vom 7.12.2020 wurde eine solche Auffassung deutlich (C-693/18).
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Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung
Bei den rechtlich bislang umstrittenen Thermofenstern handelt es sich um eine Software in vielen Fahrzeugen, durch welche die gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoffwerte nur bei bestimmten Temperaturen eingehalten werden. Diese haben unter anderem die Daimler AG und der VW-Konzern (inkl. Porsche) in ihren Wagen eingebaut. Bereits bei gängigen Temperaturen von unter 15 Grad, über 33 Grad sowie bei mehr als 1 000 Höhenmetern wird die Reinigung der Autoabgase zunächst reduziert. Im Verlauf von 10 Grad bzw. weiteren 250 Höhenmetern wird sie ganz abgeschaltet. Dadurch werden die EU-Grenzwerte für Stickoxide (NOx) überschritten.
Mehrere österreichische Gerichte wollten deshalb vom EuGH wissen, ob es sich dabei um Abschalteinrichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 handelt und falls ja, ob hier irgendwelche Ausnahmen greifen.
Der Generalanwalt kam nun zu der Auffassung, dass solche Temperaturen bzw. Höhenmeter auch schon bei einem „normalen Betrieb“ der Fahrzeuge erreicht werden. Hierzu zieht er amtliche Statistiken heran, die zeigten, dass die Durchschnittstemperaturen der Jahre 2017 bis 2019 in Österreich und Deutschland sowie in anderen Mitgliedstaaten deutlich unter 15 Grad Celsius gelegen hätten. Aufgrund der Topografie Österreichs und Deutschlands führen die Kraftfahrzeuge außerdem vielfach in Höhen von mehr als 1 000 Metern. Die Abschalt-Software verringere demnach bei normalen Nutzungsbedingungen und normalem Fahrzeugbetrieb die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems, so dass sie eine „Abschalteinrichtung“ darstelle.
Keine Ausnahme: Thermofenster dient nicht dem Motorschutz
Zwar sieht die Verordnung Ausnahmen vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen vor. Insbesondere dann, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.
Allerdings, so der Generalanwalt, unterscheide der Unionsgesetzgeber klar zwischen dem Motor und dem System zur Emissionsminderung. Nach Ansicht des Generalanwalts fällt eine Abschalteinrichtung, die vornehmlich der Schonung von Anbauteilen (wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter) dient, nicht unter die Verbotsausnahme, da das Funktionieren dieser Teile nicht den Schutz des Motors berühre.
Käufer können Rechte aus Kaufvertrag geltend machen
Zuletzt stellt der Generalanwalt klar, dass ein Auto mit einem solchen Thermofenster nicht den Anforderungen eines Kaufvertrags entspreche. Schließlich könnten Käufer erwarten, dass der gekaufte Wagen den rechtlichen Anforderungen entspreche. So stimme das Fahrzeug nämlich nicht „mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung“ überein, es eigne sich weder „für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck“ noch „für die Zwecke …, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden“. Das gelte selbst dann, wenn dieses Fahrzeug über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt. Diese Vertragswidrigkeit sei auch dann nicht „geringfügig“, wenn der Verbraucher das Fahrzeug selbst bei Kenntnis des Vorhandenseins dieser Einrichtung und ihrer Wirkungsweise erworben hätte.
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BGH-Urteil zu Ansprüchen gegen die Hersteller
Erst eine Woche zuvor hatte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings zu Daimler entschieden, dass – auch wenn Thermofenster illegale Abschalteinrichtungen darstellen sollten – im konkreten Fall keine Ansprüche gegen die Hersteller dieser Autos bestünden (Urt. v. 16.09.2021, Az. VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20). Es bestehe kein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung. Der Grund: Die Hersteller hätten trotz des Einbaus der Thermofenstern weder sittenwidrig noch vorsätzlich gehandelt. Die Hersteller hätten wegen der unklaren Rechtslage nicht in dem Bewusstsein gehandelt, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Ebenso fehle es an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Auch andere Ansprüche aus unerlaubter Handlung kämen in diesem Fall nicht in Betracht.
Das Urteil gilt allerdings nur speziell in diesem Daimler-Fall, der schon recht alt war. Es ist so, dass der BGH als Revisionsinstanz seine Entscheidung nur nach den Feststellungen der Vorinstanzen zum Sachverhalt urteilen darf. Im Fall des BGH hatte der Kläger noch keine ausreichenden Informationen, um vorzuweisen, dass Daimler vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hatte. Mittlerweise gibt es aber solche Beweise. Das bedeutet also, dass ein Klageverfahren gegen den Hersteller wegen des Einbaus unzulässiger Thermofenster in einem anderen Fall durchaus weiterhin Aussicht auf Erfolg hätte.
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