Die bei mehreren 3,0 Liter-Modellen der Audi AG verwendete schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Aufwärmfunktion ist eine unzulässige Abschalteinrichtung und löst Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Käufer aus. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) sprach deshalb in zwei heute verkündeten Urteilen den klagenden Käufern Schadensersatz zu.
Beide Kläger nehmen die beklagte Audi AG auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem jeweiligen Erwerb eines Audi SQ5, Emissionsklasse EU6, in Anspruch. In den Fahrzeugen ist der von Audi selbst hergestellte Motor EA 189 von VW verbaut.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hatte Anfang 2018 mitgeteilt, dass u.a. dieses Modell eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte. Die schadstoffmindernde, so genannte schnelle Aufwärmfunktion springe nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an. Im realen Verkehr unterbleibe diese NOx-Schadstoffminderung. Die Audi AG übersandte Rückrufschreiben an die jeweiligen Kläger mit dem Hinweis auf ein vom KBA freigegebenes Softwareupdate.
OLG Frankfurt spricht Käufern Schadensersatzanspruch gegen die Audi AG zu
Die zuständigen Landgerichte (LG) hatte die Klagen abgewiesen (Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.09.2019, Az. 2-13 O 86/19; Landgericht Hanau, Urteil vom 16.10.2019, Az. 4 O 820/19). Auf die Berufung der jeweiligen Kläger wurde die Audi AG nun vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zur Zahlung von Schadensersatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Audi SQ5 verurteilt (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 24.02.2021, Az. 4 U 257/19; Az. 4 U 274/19).
Die Audi AG hafte wegen der Entwicklung eines Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber den Fahrzeugkäufern wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Die vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Dieselskandal in der Grundsatzentscheidung (Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19) aufgestellten Voraussetzungen seien auf die hier vorliegende Konstellation übertragbar und lägen hier vor.
Es sei objektiv sittenwidrig, ein Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, dessen Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert worden sei, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten würden. Hier liege eine versteckte Abschalteinrichtung vor. Es seien Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben worden, die auf den Prüfstand zugeschnitten gewesen seien und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte. Im realen Straßenbetrieb habe die Funktion jedoch nur dann funktioniert, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall der eingegebenen engen Parameter vorgelegen habe. Es könne nicht angenommen werden, „dass die Funktion im realen Straßenverkehr eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte.“
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Audi AG: Arglistige Täuschung des KBA
Das von der Audi AG verfolgte Ziel der Erhöhung ihres Gewinns werde verwerflich, wenn es – wie hier – auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Behörde, des KBA, erreicht werden solle und mit einer „Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften…gleichgültig zeigt.“
Die grundlegende strategische Entscheidung zu Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung sei der Audi AG zuzurechnen, so die Richter am Frankfurter OLG. Nach dem unstreitigen Vortrag der jeweiligen Kläger sei sie mit Wissen des vormaligen Vorstands der Audi AG oder zumindest einzelner Vorstandsmitglieder getroffen worden.
Die beiden Kläger könnten Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Vorteile durch Nutzung des jeweiligen Fahrzeugs verlangen.
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Audi AG die Zulassung der Revision vor dem BGH begehren.