Sensationelles Urteil im Abgasskandal vom OLG Köln. Trotz der neuen BGH-Rechtsprechung muss VW einem vom Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagenkäufer wegen sittenwidriger Schädigung Schadenersatz leisten, obwohl dieser das Fahrzeug erst rund 15 Monate nach VWs ad-hoc-Mitteilung gekauft hatte. Entscheidend war, dass bei Kauf bereits das Software-Update aufgespielt war. Der Fall zeigt, dass Betroffene ihren individuellen Fall dringend prüfen lassen sollten.
Der Käufer hatte rund 15 Monate nach der ad-hoc-Meldung von Volkswagen (VW) vom 22. September 2015 einen vom Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen (VW Tiguan) erworben. Der Wagen hatte bereits das Software-Update aufgespielt. Der Käufer begehrte von VW Schadenersatz wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Er war in der ersten Instanz erfolgreich. Dagegen legte VW Berufung ein, welche jedoch nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln keinen Erfolg hatte ((OLG Köln vom 18.12.2020, Az. 20 U 288/19)
Das OLG hat nunmehr die Haftung von VW aus § 826 BGB bestätigt, obwohl der Kläger das Fahrzeug nach der ad-hoc-Meldung vom 22.09.2015 gekauft und der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 30.07.2020 Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB bei Kauf eines Gebrauchtwagens nach Publikwerden des Abgasskandals verneint hatte (BGH, Az. VI ZR 5/20).
Der BGH schien die Tür für Ansprüche von Spätkäufern zugemacht zu haben, doch das aktuelle Urteil des OLG Köln zeigt, dass sich Käufer eines vom Abgasskandal betroffen Fahrzeugs in ihrem ganz individuellen Fall rechtlich informieren sollten, welche Ansprüche und Chancen sie haben. Das BGH-Urteil jedenfalls stellt keinen kategorischen Ausschluss der Ansprüche dar. Dessen sollten sich Betroffene klar sein!
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Sittenwidrige Schädigung auch nach ad-hoc- Mitteilung möglich
Unter Berücksichtigung aller Umstände habe man nicht davon ausgehen können, so das OLG Köln, dass VW seine zuvor getroffene Entscheidung, im eigenen Gewinninteresse das Kraftfahrtbundesamt und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, durch die Strategie ersetzt hatte, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen.
Das Software-Update habe nach Ansicht des OLG Kölns keineswegszu einem gesetzeskonformen Zustand des Fahrzeugs geführt. Das Fahrzeug war somit weiterhin mangelhaft. VW habe dies durch eine Manipulation des „On Board Diagnosis-Systems“ zu verschleiern versucht und damit ununterbrochen getäuscht. Das Verhalten von VW sei daher als sittenwidrig zu bewerten.
Der nun entschiedene Fall zeigt, insbesondere unter Rücksichtnahme auf das kürzlich ergangene BGH-Urteil, wie wichtig weiterhin eine Unterscheidung der jeweiligen Einzelfälle ist. Entgegen dem Sachverhalt, der dem BGH-Verfahren zugrunde lag, könne der ad-hoc-Mitteilung von VW nur scheinbar die Eignung zugesprochen werden, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören und diesbezügliche Arglosigkeit zu beseitigen.
Betrachte man jedoch den Gesamtzusammenhang des Verhaltens von VW, so habe die ad-hoc-Mitteilung vielmehr darauf abgezielt, soviel wie möglich von dieser Arglosigkeit zu erhalten und mit der Zusage eines vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) genehmigten Updates, welches angeblich alle Unstimmigkeiten beseitigen würde, zu nähren. Nur so habe VW die Erwartung begründen können, dass mit dem Aufspielen des Updates sämtlich öffentlich eingeräumte „Unregelmäßigkeiten“ endgültig beseitigt- und ein gesetzmäßiger Zustand hergestellt würde.
Der Ad-hoc-Mitteilung komme insofern nicht die Zäsurwirkung zu, die sie nach dem Sachverhalt des BGH-Urteils hatte. Das OLG Köln nahm daher eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW an, obwohl der Fahrzeugkauf erst im Dezember 2016 nach der ad-hoc-Mitteilung stattfand. Den Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags billigte das Gericht dabei auch dem Käufer des VW Tiguan zu.
tsp