Auf geschädigte Kunden im Abgasskandal kommen weitere wichtige Urteile des BGH zu: Am 24. März verhandelt er in drei Dieselverfahren darüber, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen Volkswagen begann. Zuletzt hatte er im Februar verbraucherfreundlich entschieden, dass Neuwagen-Käufern auch nach Verjährung ein Anspruch auf finanzielle Entschädigung zusteht.

Im Dieselskandal kehrt weiterhin keine Ruhe ein: Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt sich auch 2022 mit zahlreichen wichtigen Fragen für geschädigte Käufer von manipulierten Fahrzeugen. Am 24. März 2022 hat er nun in drei gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden „Dieselverfahren“ erneut darüber zu entscheiden, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG (VW) begann (Az. VII ZR 422/21, 437/21 und 478/21).

Sollte der BGH hierbei der Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart folgen, hätte die dreijährige Verjährungsfrist unter Umständen erst am 1. Januar 2018 zu laufen begonnen – und Klagen, die erst im Jahr 2020 erhoben wurden, waren noch rechtzeitig, um die Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das Urteil hat deshalb große Bedeutung für Verbraucher und wird mit Spannung erwartet.

Unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut

In den drei zu entscheidenden Verfahren soll die Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch genommen werden.

Konkret geht es zum einen um eine Frau, deren zwischenzeitlich verstorbener Ehemann im Dezember 2011 einen neuen Audi Q5 2.0 TDI zum Preis von 54.000 Euro erwarb (Az. VII ZR 422/21). Das zweite Verfahren betrifft einen Mann, der im November 2010 einen gebrauchten VW Passat Variant zum Preis von 18.900 Euro kaufte (Az. VII ZR 437/21), und das dritte Verfahren einen Mann, der im Oktober 2014 einen gebrauchten VW Sharan 2.0 TDI zum Preis von 29.500 Euro erwarb (Az. VII ZR 478/21).

Die Fahrzeuge sind jeweils mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte. Der BGH hatte mit Urteil vom 25. Mai 2020 bereits entschieden, dass VW sich durch die Abgasmanipulationen bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat.

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Verjährung bei Klageerhebung im Jahr 2020?

Ab September 2015 wurde – ausgehend von einer Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG vom 22. September 2015 – über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 ausführlich in den Medien berichtet. Ab Oktober 2015 bestand zudem für alle Kunden die Möglichkeit, auf der Homepage von VW zu überprüfen, ob ihre Fahrzeuge über die vorgenannte Software verfügten.

Die drei Käufer verlangen mit ihren jeweils im Jahr 2020 eingereichten Klagen im Wesentlichen nun – unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung – die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Sie behaupten, erst im Jahr 2017 von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom Abgasskandal erfahren zu haben. Volkswagen hat hingegen jeweils erklärt, die Ansprüche seien bereits verjährt.

OLG Stuttgart verneint Verjährung

Das OLG Stuttgart gab den geschädigten Käufern in der Vorinstanz überwiegend Recht (Urt. v. 13.04.2021, Az. 12 U 327/20; Urt. v. 04.05.2021, Az. 12 U 381/20 und Urt. v. 27.04.2021, Az. 12 U 309/20).

Der Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB sei nicht verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB erst mit Schluss des Jahres 2017 zu laufen begonnen habe, so das Gericht. Es könne nicht festgestellt werden, dass die betroffenen Käufer bis zum Ende des Jahres 2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hätten. Weder die Ad-hoc-Mitteilung von VW noch die Presseberichterstattung ließen diesen Schluss zu.

Es sei zwar unwahrscheinlich, dass eine in Deutschland lebende Person in den Jahren 2015 und 2016 nichts vom Abgasskandal mitbekommen hat – aus der Berichterstattung ergebe sich aber nicht die individuelle Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs! Es könne insofern nicht festgestellt werden, dass die Käufer bis zum Ende des Jahres 2016 Kenntnis von ihrem Schadenersatzanspruch hatten, so das OLG.

Zudem stelle es kein grob fahrlässiges Verhalten dar, wenn der Besitzer eines Fahrzeugs im Jahr 2015 oder 2016 – ohne von VW individuell informiert worden zu sein – keine eigenen Nachforschungen hinsichtlich der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal unternommen habe. Die Verjährungsfrist habe deshalb erst am 1. Januar 2018 begonnen. Die Klagen wurden im Jahr 2020 und damit vor Eintritt der Verjährung erhoben, so das Gericht. Vor dem BGH erstrebt VW jeweils die vollständige Abweisung der Klage.

Vorherige BGH-Urteile zur Verjährung

Erst kürzlich hatte sich der BGH bereits mit der Verjährung der Schadensersatzansprüche im Dieselskandal auseinandersetzen müssen. Dabei erklärte er, dass Käufer von VW-Neuwagen selbst bei eingetretener Verjährung einen Anspruch auf Entschädigung haben – nämlich einen Anspruch auf sogenannten Restschadensersatz aus § 852 S. 1 BGB (Urt. v. 21.02.2022, Az. VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21). Der Anspruch auf Restschadensersatz besteht demnach auch nach eingetretener Verjährung der eigentlichen Schadensersatzforderungen.

In Bezug auf Gebrauchtwagenkäufer sah der BGH das bisher allerdings anders: Diesel-Besitzer mit einem Gebrauchtwagen, die zu spät gegen VW vor Gericht gezogen sind, gehen nach einem Urteil vom 10. Februar grundsätzlich leer aus (Urt. v. 10.02.2022, Az. VII ZR 365/21 u.a.). Die Richter wiesen vier Klagen zurück, bei denen die Käufer alle erst im Jahr 2020 Schadensersatz gefordert hatten. Ihnen stünde kein Anspruch aus § 826 BGB zu.

Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB sei jeweils vor Klageerhebung abgelaufen. Es genüge für den Beginn der Verjährungsfrist, dass die Käufer Kenntnis vom Dieselskandal im Allgemeinen und von der Betroffenheit des Fahrzeugs haben. Das sei in den konkreten Verfahren rechtsfehlerfrei festgestellt worden.

In zwei Fällen hätten sich die Käufer laut BGH anhand von öffentlich zugänglichen Informationsquellen Kenntnis verschaffen können – und weil sie das nicht getan haben, treffe sie der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit. Ihnen sei eine Klageerhebung im Jahr 2016 zumutbar gewesen. Ein Anspruch aus § 852 BGB bestehe bei Gebrauchtwagen im Übrigen nicht.

Vor diesem Hintergrund bleibt es spannend, wie der BGH in den kommenden Verfahren entscheiden wird. Wir werden über die Entscheidung an dieser Stelle berichten.

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