Nachdem ein Mann aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf der Polizei gegenüber abwegige Äußerungen über „Elektro Magnetische Wellen Terroristen“ tätigte, sollte eine Untersuchung auf dessen Fahreignung vorgenommen werden. Dagegen wehrte sich der Mann jedoch vor dem VG Gießen. Das Gericht musste entscheiden, ob verwirrte Aussagen allein genügen, um die Fahrtüchtigkeit einer Person hinsichtlich möglicher psychische Krankheiten zu untersuchen.

Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen gab der Klage eines Mannes statt, der sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wandte. Die Fahrerlaubnisbehörde vermutet das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, weil der Mann gegenüber Polizisten auf der Suche nach „Elektro Magnetische Wellen Terroristen“ war. Dieses und sein weiteres Verhalten begründen laut dem VG jedoch keinen Entzug der Fahrerlaubnis (Urt. v. 24.08.2023 – Az. 6 K 2554/22.GI.).

Ein besorgter Anwohner rief an einem Herbsttag im Jahre 2021 die Polizei an und meldete eine herumirrende Person. Letztlich sollte dieser Einsatz zum Streit um die Fahrerlaubnis der herumirrenden Person führen. Der Nachbar, der die Polizei rief, berichtete gegen 22:00 Uhr beobachtet zu haben, wie eine Person aus einem weißen Transporter ausgestiegen und durch Gärten gelaufen sein soll. Dabei habe sich die Person vor jedem vorbeifahrenden Auto versteckt. Als die Polizei am Ort des Geschehens eintraf, fanden sie einen Mann in einem Auto vor. Dieser erklärte den Polizeibeamten, dass er auf der Suche nach „Elektro Magnetische Wellen Terroristen“ sei. Im Wagen fanden die Polizisten eine mit Alufolie umwickelte Bleischale und eine Bleiweste, die der Fahrer als „EMW-Schutz“ bezeichnete. Der Mann aus Marburg-Biedenkopf gab an, dass er die Schale bei Kopfschmerzen auf den Kopf setze und die Weste ihm zum Schutz diene.

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Anordnung zur Untersuchung rechtswidrig

Der herumirrende Mann schrieb später an den Landkreis, dass nur diejenigen, die eine persönliche Erfahrung mit einer EMW-Attacke gemacht und überlebt hätten, verstehen könnten, wovon er spreche. Offenbar traf dies nicht auf den Sachbearbeiter zu, da die Führerscheinstelle eine Überprüfung seiner Fahreignung anordnete. Dies wurde auch durch seine Antwort auf die Frage der Polizei, wo er sich gerade befinde, beeinflusst – der Mann gab nämlich eine falsche Stadt an. Außerdem beobachtete die Polizei erhebliche Fahrunsicherheiten, als sie dem Mann aus Sicherheitsgründen auf dessen Heimweg beobachteten. Da der Autofahrer kein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vorlegen konnte, entzog die Behörde ihm die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Das VG Gießen gewährte bereits seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und hat nun in einem Urteil die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben.

Der Schluss, dass die fehlende Fahreignung gemäß § 11 Abs. 8 des Fahrerlaubnis-Verordnung auf das fehlende Gutachten zurückzuführen sei, ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt, da die Anordnung zur Untersuchung als rechtswidrig angesehen wurde. Bereits im Verfahren zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hatte das VG Gießen der Fahrerlaubnisbehörde vorgeworfen, dass ihre Anordnung für die Untersuchung zu vage sei. Darüber hinaus habe es keine solide Grundlage zur Annahme gegeben, dass eine psychische Erkrankung vorliegen könnte. „Schüsse ins Blaue“ auf Grundlage eines bloßen „Verdachts-Verdachts“, der dem Betroffenen im Ergebnis einen im Gesetz nicht vorgesehenen Eignungsbeweis auferlegen würde, seien aus Sicht der Kammer nicht zulässig.

Äußerungen lassen nicht zwingend Rückschluss auf Verwirrung zu

Diese Ansicht wurde von der zuständigen Einzelrichterin geteilt. Obwohl die Äußerungen des Autofahrers als ungewöhnlich angesehen wurden, habe nicht der Schluss gezogen werden können, dass der Mann, als – wie er selbst schrieb – Experte für digitale Intelligenz verwirrt sei. Er bestritt einige der beobachteten Fahrprobleme, wie das mehrfache Einfahren in den Gegenverkehr. Außerdem erklärte er, dass mögliche Unsicherheiten auf die unerwartete Polizeikontrolle und dem dahinterfahrenden Polizeifahrzeug zurückzuführen seien. Die Polizei habe ihn nämlich verunsichert.

Die Richterin ließ jedoch die Berufung gegen ihr Urteil zu. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel zeigte in der Zwischenzeit weniger Verständnis für die Bedenken des Mannes und erklärte, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis sofort vollzogen werden solle. Dabei betonte der VGH einen Umstand, dem das VG keine große Bedeutung beigemessen hatte: Trotz der geringen Entfernung zwischen dem Ort des Vorfalls und dem Wohnort des Betroffenen hätte man davon ausgehen können, dass es bekannt ist, in welcher Gemeinde man sich gerade befinde.