Bei Polizeieinsätzen ist oft Eile geboten, weshalb Polizeiautos im Einsatz häufig mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs sind. Wer trägt aber die Haftung, wenn ein Polizist auf einer Einsatzfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit eine Kollision verschuldet, obwohl keine akute Gefährdung für Personen vorlag? Diese Frage beantwortete nun das VG Berlin.
Bei einer Einsatzfahrt zu einem Einbruch, bei der keine akute Gefährdung für Personen vorliegt, kann der unfallverursachende Polizist in Regress genommen werden. Das entschied nun das Verwaltungsgericht (VG) Berlin. Damit lehnte das Gericht die Ansicht des Polizisten ab, ihm sei lediglich eine einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen (Urt. v. 18.03.2024 – Az. VG 5 K 65/21).
Ein Polizeikommissar des Landes Berlin erhielt im November 2017 den Auftrag wegen eines gegenwärtig stattfinden Einbruchs zu einem Einsatz in Berlin-Lübars zu fahren. Auf dem Weg dahin sollte es allerdings zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Auto kommen. Dabei entstand letztlich auch ein erheblicher Schaden. Kurz vor der Kollision wies das Polizeifahrzeug eine Geschwindigkeit von 92 km/h auf. Obwohl der Kommissar stark bremste, ließ sich die Kollision bei einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h nicht mehr vermeiden.
Fast drei Jahre später – im Oktober 2020 – wurde der Polizeikommissar vom Polizeipräsidenten gemäß § 48 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) dazu verpflichtet, die Hälfte des am Einsatzfahrzeug entstandenen Schadens zu ersetzen. Der Vorwurf lautete, er habe grob fahrlässig gegen seine dienstlichen Sorgfaltspflichten verstoßen. Der Polizist erhob daraufhin Klage und argumentierte, ihm könne lediglich einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, für die er nach § 48 BeamtStG nicht haftbar sei. Zudem sei besondere Eile geboten gewesen, da andernfalls die Einbrecher nicht mehr am Tatort anzutreffen gewesen wären.
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Einbruch rechtfertigte Gefährdung Dritter durch überhöhte Geschwindigkeit nicht
Das VG Berlin wies die Klage des Polizisten jedoch ab. Das Gericht entschied, dass der Einsatzzweck die Gefährdung Dritter nicht gerechtfertigt habe. Schließlich habe es sich lediglich um einen Einsatz im Zusammenhang mit einem gegenwärtigen Einbruch gehandelt, nicht um eine akute Gefährdung von Personen. Der Polizeikommissar wurde daher zur Hälfte des Schadens in Regress genommen. Das Gericht betonte, der Polizeikommissar habe seine Pflichten gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO) grob fahrlässig verletzt. Auch wenn Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch genommen würden, dürften die Regeln zur Höchstgeschwindigkeit nur dann überschritten werden, wenn die dadurch entstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit in einem angemessenen Verhältnis zur Dringlichkeit des Einsatzes stehe.
An eben diese Vorschriften habe sich der Polizist nicht gehalten. Die Umstände, die in dem konkreten Fall vorlagen, hätten eine größere Vorsicht und damit eine geringere Geschwindigkeit erfordert, so die Berliner Richter. Zudem rechtfertige der Einsatzzweck in diesem Fall die Gefährdung Dritter nicht, da es sich lediglich um einen Einsatz im Zusammenhang mit einem aktuellen Einbruch gehandelt habe und nicht um eine unmittelbare Gefährdung von Personen.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Letztlich wurde der Polizeikommissar zur anteiligen Übernahme der Hälfte des am Einsatzfahrzeug entstandenen Schadens in Höhe von insgesamt 4.225,59 Euro herangezogen, wobei das Mitverschulden des anderen Unfallbeteiligten berücksichtigt wurde.
Gegen das Urteil kann der Polizeikommissar beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Zulassung der Berufung beim OVG Berlin-Brandenburg beantragen.
agr