Ein Pkw-Halter aus NRW zog wegen eines Knöllchens bis vor das BVerfG. Der Grund: Er sah es als ungerechtfertigt an, dass er für den Fahrer des Autos gehalten wurde, nur weil er dessen Halter sei – und gewann. Wer Fahrzeughalter ist, sei nicht automatisch auch Fahrer.
Bei einem Parkverstoß ist der Halter nicht automatisch gleich der Täter. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), nachdem der Halter eines Wagens gegen ein Knöllchen vorging. Das BVerfG begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es gegen das Willkürverbot verstoßen würde, wenn lediglich wegen der Haltereigenschaft Rückschlüsse auf die Täterschaft erfolgten (Beschl. v. 17.05.2024 – Az. 2 BvR 1457/23).
Am 6. Oktober 2022 parkte in Siegburg sein Autofahrer sein Fahrzeug. Weil der Fahrer die zulässige Höchstparkdauer überschritt, erhielt der Halter im Dezember 2022 einen Bußgeldbescheid von 30 Euro. Der Vorwurf: Er solle als „Halter und Fahrer“ gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen haben. Der Fahrzeughalter setzte sich gegen diesen Bescheid zur Wehr und erhob Einspruch.
Allerdings sollte er die Justiz zunächst nicht auf seiner Seite wissen, denn die Gerichte lehnten seinen Einspruch ab. Zunächst gab das zuständige Amtsgericht (AG) Siegburg seinem Einspruch nicht statt, später dann verwarf auch noch das Oberlandesgericht (OLG) Köln seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der letzte Strohhalm für den Mann: Das BVerfG.
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Beweislage nicht eindeutig
Vor dem BVerfG gab er an, in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und aus Art. 20 Abs. 3 GG verletzt zu sein. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass eine Beweisaufnahme nur insoweit stattgefunden habe, als ein Lichtbild in Augenschein genommen worden sei, das das Auto zeige. Eine weitere Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden, insbesondere sei die im Bußgeldbescheid angeführte Zeugin nicht geladen und gehört worden.
Dabei sei verfassungsgerichtlich längst geklärt, dass seine zuvor genannten Rechte verletzt seien, wenn einzig aus der Haltereigenschaft gefolgert werde, dass der Halter den behaupteten Verkehrsverstoß begangen habe. Er habe Verfassungsbeschwerde erhoben, damit der Willkür in nicht rechtsmittelfähigen Sachen in Zukunft nicht Tür und Tor geöffnet sei.
Und das BVerfG gab seiner Beschwerde statt. Von der reinen Eigenschaft des Mannes als Fahrzeughalter hätte nicht automatisch auf ihn als Fahrer Rückschluss genommen werden dürfen. Das Urteil des AG Siegburg enthalte laut den Richtern aus Karlsruhe keinerlei Ansätze über die sachgerechte Feststellung und Erwägung zur Täterschaft des Mannes. Eine solche sachgerechte Feststellung sei bei einer Verurteilung jedoch erforderlich.
In diesem Fall seien als Beweise letztlich lediglich die Angaben im Bußgeldbescheid, die Lichtbilder des Autos und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Halter des Fahrzeugs sei, hervorgebracht worden. Das AG habe so aber zu dem Verkehrsverstoß, der dem Halter angelastet wurde, in seiner Person weder ein aktives Tun, noch ein Begehen durch Unterlassen festgestellt, wie das BVerfG erklärte.
In der angebrachten Form hätten die Beweise keine Aussagekraft darüber, ob er auch wirklich der Fahrer bei dieser bestimmten Fahrt gewesen sei. Der Halter selbst schwieg stets zu dem Vorwurf, er sei auch der Fahrer gewesen. In diesen Fällen dürfe das Schweigen des Mannes nicht gegen ihn verwendet werden, wie das BVerfG erklärt. Sollten keine weiteren Umstände darauf hindeuten, dass der Halter auch der Fahrer war, dann dürfe dies nicht einfach angenommen werden.
Verstoß gegen Willkürverbot
Darüber hinaus erklärten die Richter in Karlsruhe, dass hier nicht bloß ein formeller Fehler in der Beweisführung vorgelegen habe. Eher hätte das Urteil des AG Siegburg auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 I GG verstoßen, auf den der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde gestützt hatte. Ein Verstoß gegen diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz sei nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Fehler bei der Rechtsanwendung geschehe, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Allerdings gehe aus dem Beschluss nicht hervor, welche sachfremden Erwägungen das in diesem Fall konkret gewesen sein sollten.
Das BVerfG verweist letztlich noch auf die seit vielen Jahren anerkannte Fahrtenbuch-Praxis der Gerichte. Das Siegburger Gericht hätte laut BVerfG wissen können, dass es für die Annahme der Fahrereigenschaft bessere Beweise gebraucht hätte.
Eine Sensation ist das Urteil des BVerfG keineswegs. Denn schon 1993 wurde ebenfalls in einem solchen Fall so entschieden. Damals hatte ein Mann eine verbotene Zufahrt zu einem Baggersee benutzt und war zu einem Bußgeld verurteilt worden.
agr