Wer sich nach dem Konsum von Drogen ans Steuer eines Fahrzeugs setzt, gilt nicht zwangsläufig als fahruntüchtig. Dafür sind vielmehr Art und Ausmaß sonstiger Ausfallerscheinungen von Bedeutung. Die Blut­wirk­stoff­kon­zen­tra­ti­on al­lein sei nur ein Indiz, entschied nun der BGH.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Verfahren klargestellt, ab wann ein unter Drogeneinfluss fahrender Autofahrer nicht mehr als fahrtüchtig gilt. Das Fahren in „Schlangenlinien“ solle dabei noch kein hinreichendes Indiz sein (BGH, Beschluss vom 02.08.2022, Az. 4 StR 231/22).

Mann flieht gleich 2x vor Polizei

Ein Mann ohne Fahrerlaubnis flüchtete in seinem Wagen gleich zweimal vor einer polizeilichen Verkehrskontrolle. Zunächst raste er mit 100 km/h durch eine deutsche Innenstadt bis er die Autobahn erreichte. Dort fuhr er dann in „Schlangenlinien“ weiter. Nach Verlassen der Autobahn überfuhr sodann auch noch eine rote Ampel, verlor die Kontrolle über sein Auto und landete im Graben.

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Beim zweiten Mal folgte der Mann zunächst der Anhalte-Aufforderung der Polizeibeamten und stoppte, um dann in einem günstigen Moment stark zu beschleunigen und zu flüchten. In der Folge erreichte er einen schlammigen Feldweg, auf dem eine Weiterfahrt unmöglich war.

Der Mann setzte den Wagen zurück und beschädigte dabei die Beifahrertür des nachfolgenden Streifenwagens. Schlussendlich fuhr er eine Böschung hinab und landete wie bereits beim ersten Mal im Graben.

Die Blutproben ergaben, dass er unter dem Einfluss von Amphetaminen und THC gefahren war. 

Vor Gericht gab der Mann schließlich den Drogenkonsum zu und erklärte, er sei beim Anblick der Polizisten in Panik geraten. Das Landgericht (LG) Gießen verurteilte ihn unter anderem wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Haftstrafe von 22 Monaten plus Nebenstrafe.

Gegen diese Entscheidung wehrte sich der Mann vor dem BGH.

Panik oder Drogen ursächlich für kuriose Flucht?

Der BGH nahm in seinem Beschluss – wie auch das LG Gießen – an, dass zu dem Blutbefund noch weitere Anzeichen einer tatsächlichen Fahruntüchtigkeit hinzukommen müssten. Die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit allein auf den Blutwert abzustellen, sei nicht plausibel genug.

Das heißt: Obwohl der Mann auf seiner rasanten Fahrt nicht nur in zu hohem Tempo „Schlangenlinien“ fuhr, sich zwei Verkehrskontrollen entzog und die Beifahrertür des nachfolgenden Streifenwagens beschädigte, sah der BGH hierhin noch keine ausreichende Begründung der Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr.

Eine Beweiswürdigung hierzu hatten die Richter am LG nicht vorgenommen. Der BGH sah wegen der Einlassung des Mannes, er sei in Panik geflüchtet, das rücksichtslose Verhalten nicht unbedingt als drogenbedingte Ausfallerscheinung an. Auch das Fahren in Schlangenlinien auf der Autobahn könne nun einmal auf dem unbedingten Fluchtwillen beruhen. Zwar seien die Anforderungen, die an die erforderlichen Ausfallerscheinungen zu stellen sind, abhängig von der Höhe der im Blut festgestellten Wirkstoffkonzentration. Je höher die Blutwirkstoffkonzentration, desto geringer auch die Anforderungen an Art und Ausmaß der Ausfallerscheinungen. Für das Ausbleiben einer genauen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, müsse das prüfende Gericht aber von einer „manifesten Intoxikation“ ausgehen. Denn der Blutwert allein stelle zwar ein gewichtiges Indiz dar, könne aber bei einer Konsumgewöhnung zu anderen Ergebnissen führen.

Das Landgericht habe daher nicht einerseits davon ausgehen dürfen, dass der Mann drogenbedingt fahruntüchtig gewesen sei, um andererseits festzustellen, dass die Intoxikation zu gering war, um seine Schuld zu mindern.

Der BGH hob das Urteil folgerichtig auf und verwies die Sache zurück.

Sollte das neue Tatgericht ebenfalls eine Fahruntüchtigkeit bejahen, wird es für eine erneute Verurteilung gemäß § 316 Abs. 1 StGB sorgfältiger zu prüfen haben, ob er insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, also die Folgen seines verkehrswidrigen Verhaltens billigte.

mbl/tsp