Das LG Berlin hatte zwei Männer, die sich in Berlin 2016 ein Autorennen lieferten und dabei einen Mann töteten, im Jahr 2017 wegen Mordes verurteilt. Der Fall hat bereits mehrere Instanzen beschäftigt und für viel Aufsehen gesorgt. Nachdem der BGH das Mord-Urteil für einen der Fahrer aufgehoben hatte, wurde dieser stattdessen wegen versuchten Mordes verurteilt. Nun verwarf der BGH die dagegen erhobene Revision des Rasers und bestätigte damit das Urteil. Ein langer Prozess findet so sein Ende.

Am 2. März 2021 hatte das Landgericht (LG) Berlin den Ku‘damm-Raser Marvin N. zu 13 Jahren Haft unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt. Die Revision gegen dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun als unbegründet verworfen und damit den seit Jahren andauernden Ku’Damm-Raser-Prozess beendet (Beschl. v. 19.01.2022, Az. 4 StR 319/21).

Es war bereits die dritte Entscheidung des BGH in diesem Fall. In zwei vorangegangenen Verfahren wurde der Fahrer noch wegen vollendeten Mordes verurteilt, beide Urteile wurden vom BGH aufgehoben. Beim zweiten Raser, dem Hauptangeklagten Hamdi H., wurde hingegen die Verurteilung wegen Mordes durch den BGH aufrechterhalten.

Unbeteiligter bei illegalem Autorennen auf dem Kurfürstendamm getötet

Der Fall der beiden Berliner Ku’damm-Raser schlug hohe Wellen – sowohl in der Justiz als auch in den Medien. Zwei Männer rasten mit bis zu 170 km/h in der Nacht zum 1. Februar 2016 über den Berliner Kurfürstendamm. Dabei ignorierten sie mehrere rote Ampeln. An einer Kreuzung kam es dann zu einer Kollision mit einem unbeteiligten Fahrzeug. Der 69-jährige Fahrer eines Jeeps hatte keine Chance auszuweichen und verstarb noch in seinem Auto an den Folgen des Unfalls. In erster Instanz wurden die beiden Fahrer vor dem LG Berlin wegen gemeinschaftlichen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt (Urt. v. 27.02.2017, Az. 535 Ks 8/16).

Es war das erste Mordurteil in einem Raser-Fall. Bis dahin wurden die Täter meist nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt – ein Unterschied, der sich ganz besonders im Strafmaß bemerkbar macht. Während Mord nach § 211 Strafgesetzbuch (StGB) stets mit lebenslanger Haftstrafe belangt wird, können Gerichte fahrlässige Tötung nach § 222 StGB mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren ahnden.

Der Hauptangeklagte rammte mit seinem Fahrzeug den Jeep des Unbeteiligten, der bei für ihn grüner Ampel auf die Kreuzung gerollt war. Er ist inzwischen rechtskräftig wegen Mordes verurteilt worden. Der mitangeklagte zweite Fahrer, dessen Revision dem BGH nun vorlag, war selbst nicht unmittelbar an der tödlichen Kollision beteiligt gewesen.

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Raser-Prozess beschäftigt Gerichte seit Jahren

Dem nun veröffentlichten BGH-Beschluss geht ein langer Prozess voraus: Der BGH hob das erste Urteil das LG Berlin wegen Mordes in Mittäterschaft auf (Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17). In der Neuverhandlung vor dem LG wurden beide Fahrer erneut des Mordes schuldig gesprochen (Urt. v. 26.03.2019, Az. 532 Ks 9/18). Anschließend ging der Fall wieder vor den BGH. Der bestätigte aber nur für den Hauptangeklagten die Verurteilung wegen Mordes, nämlich den Fahrer des Wagens, der mit dem Jeep des Opfers kollidierte (Urt. v. 18.06.2020, Az. 4 StR 482/19).

Im Fall des Fahrers, dessen Wagen gerade nicht mit dem Jeep kollidiert war, sah der BGH eine Mittäterschaft als nicht belegt an und verwies den Fall erneut zurück nach Berlin. Das LG verurteilte ihn im dritten Rechtsgang schließlich wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Freiheitsstrafe (Urt. v. 02.03.2021, Az. 529 Ks 6/20). Da der BGH die darauf erhobene Revision nun verworfen hat, ist das Urteil rechtskräftig.

Gab es einen gemeinsamen Tatplan?

Das LG begründete in dem nun rechtskräftig gewordenen Urteil die Verurteilung wegen versuchten statt vollendeten Mordes damit, dass dem Mitangeklagten „keine täterschaftliche Mitverantwortung für den Tod“ anzulasten sei. Einen gemeinsamen Tatplan der beiden Fahrer habe es nicht gegeben und ein solcher könne nach den Ausführungen des BGH zu dem Fall auch nicht konstruiert werden.

In den ersten beiden Urteilen des LG gingen die Richter noch von einem gemeinsamen Tatplan aus. Ein solcher Plan ist bei der mittäterschaftlichen Tatbegehung zwingend erforderlich, damit die Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet werden können. Die Richter stellten hierzu fest, dass die beiden Fahrer durch mehrmaliges Beschleunigen und Aufeinander-Warten zunächst lediglich konkludent, also stillschweigend, ein „Stechen“ vereinbarten. In der letzten Kurve vor dem Unfallort habe der Todesfahrer dann den Entschluss gefasst, das Rennen um jeden Preis gewinnen zu wollen.

Der andere Fahrer habe dies erkannt, jedoch etwa 90 Meter vor der Kreuzung den Fuß vom Gas genommen. Als er dann doch wieder beschleunigte, trat er dem Rennen unter Billigung all seiner Risiken bei, sodass nach ursprünglicher Ansicht des LG ein gemeinsamer Tatplan vorlag. Hätte er dagegen 90 Meter vor der Kreuzung angehalten, hätte der andere Fahrer sich wohl als „Sieger“ gesehen und seine halsbrecherische Fahrt nicht weiter fortgesetzt. Auch der nicht am Unfall beteiligte Fahrer hatte somit das Tatgeschehen in den Händen, so die Richter im März 2019.

Der BGH erklärte daraufhin allerdings, die Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes könne keinen Bestand haben, weil die Feststellung eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht überzeuge. Dass die Angeklagten während des Zufahrens auf die Kreuzung den auf das Straßenrennen ausgerichteten Tatplan konkludent auf die gemeinsame Tötung eines anderen Menschen erweiterten, liege angesichts ihrer Fokussierung auf das Rennen fern. Diese Auffassung legte das LG seinem dritten Urteil zugrunde und verneinte insofern letztlich einen gemeinsamen Tatplan.

Weil es aber lediglich vom Zufall abhängig gewesen sei, dass nicht er, sondern der bereits verurteilte Fahrer mit dem Jeep zusammengestoßen sei, sei der Mitangeklagte eines versuchten Mordes schuldig. Er habe ebenso wie der andere Fahrer gewusst, dass mögliche Folge seines rücksichtslosen Fahrverhaltens der Tod unbeteiligter Verkehrsteilnehmer sein könnte. Diese mögliche Folge habe er für den Sieg in der Wettfahrt billigend in Kauf genommen. Es seien dabei auch die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe erfüllt.

Hauptproblem: Der Tötungsvorsatz

Das Hauptproblem bei den Verurteilungen der beiden Raser war die Feststellung eines Vorsatzes zu ihrer Tat. Im ersten Urteil des LG wurde lediglich darauf abgestellt, dass spätestens in der letzten Sekunde vor dem Zusammenprall ein Tötungsvorsatz vorlag. Der BGH kritisierte anschließend, dass die Raser in diesem Moment keine Möglichkeit mehr gehabt hätten, den Zusammenprall mit dem Opfer zu verhindern. Daher sei das zu dem tödlichen Unfall führende Geschehen zu diesem Zeitpunkt bereits unumkehrbar in Gang gesetzt gewesen, bevor die für die Annahme eines Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Fahrern hätte entstehen können.

Im zweiten Urteil des LG gingen die Richter trotzdem erneut von einem bedingten Tötungsvorsatz aus. Das bedeutet, dass die Täter den Tod eines anderen Menschen zumindest billigend in Kauf genommen haben. Bezüglich des Rasers, der letztlich mit dem Opfer zusammenstieß, schloss das LG bereits aus der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung darauf, dass er darum wusste, durch sein Verhalten Dritte in Lebensgefahr zu bringen. Er habe gewusst, dass er beim Einfahren in die Kreuzung trotz roter Ampel so schnell sein würde, dass er nicht mehr ausreichend auf andere Verkehrsteilnehmer reagieren könne. Vor allem aber habe er die Kreuzung gekannt und wusste deshalb, dass dort auch nachts mit Verkehr zu rechnen war. Dennoch raste er mit knapp 160 km/h über den Kurfürstendamm, denn er wollte das Rennen unbedingt gewinnen, um seinem Kontrahenten seine vermeintliche Überlegenheit zu demonstrieren. Dabei sei ihm das Leben anderer Verkehrsteilnehmer völlig gleichgültig gewesen und er habe vorsätzlich gehandelt.

Dem anderen Fahrer konnte nachgewiesen werden, dass er etwa 90 Meter vor der Kreuzung kurz den Fuß vom Gas nahm, dann aber das Gaspedal wieder bis zum Anschlag durchdrückte und das, obwohl er bereits die rote Ampel sehen konnte und sich auf dem Weg dorthin noch eine Baustelle befand. Bis zu dem Moment, in dem er sich entschloss, wieder Gas zu geben, hätte er sein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stehen bringen können. Indem er jedoch die Fahrt fortsetzte, nahm er nach Überzeugung des LG den Tod anderer zumindest billigend in Kauf.

Den Einwand, dass die erhebliche Eigengefährdung der Täter gegen einen Tötungsvorsatz spreche, begegneten die Richter damit, dass die beiden Täter tatsächlich nicht befürchteten zu Tode kommen zu können. Dies sei auch durchaus nachvollziehbar, denn zur Tatzeit sei nicht mit querenden LKW zu rechnen gewesen und Kollisionen mit anderen PKW hätten bei der hohen Geschwindigkeit der Raser kaum eine Lebensgefahr für sie dargestellt.

Die im zweiten Urteil vom LG getroffenen Ausführungen zum Vorsatz der Täter wurden im Juni 2020 vom BGH bestätigt. Das Gericht sei, so der BGH, den hohen Anforderungen an die Prüfung der vorsatzkritischen Aspekte gerecht geworden, die dieser Fall in besonderem Maße aufwarf.

Mehrere Mordmerkmale erfüllt

Auch bezüglich der Mordmerkmale gingen das LG und der BGH letztlich weiter als noch in der ersten Entscheidung im Jahr 2017. Während damals nur der Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels bejaht wurde, stellten die Richter später fest, dass die Tötung auch heimtückisch erfolgte. Heimtücke liegt immer dann vor, wenn ein Täter die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. Die Richter argumentierten, dass ein von rechts in die Kreuzung bei Grün einfahrender Autofahrer nicht damit rechnen würde, dass ein mehr als doppelt so schnell wie erlaubt fahrender anderer Verkehrsteilnehmer von der Seite in ihn hineinfahren würde. Das Opfer sei somit völlig ahnungslos gewesen und konnte keinerlei Schutzmaßnahmen ergreifen. Dies sei auch den beiden Rasern klar gewesen. Außerdem sah das LG auch das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ verwirklicht. Die Tötung des Geschädigten stehe in einem krassen Missverhältnis zu ihrem Anlass, nämlich der Durchführung eines illegalen Straßenrennens und sei deshalb besonders verachtenswert.

Prozess ist endlich abgeschlossen

Durch den Beschluss des BGH vom 19. Januar 2022 sind nun beide beteiligten Fahrer rechtskräftig verurteilt worden und der Prozess hat ein Ende gefunden. Viele Grundsatzfragen in Raser-Fällen wurden für die juristische Fachwelt geklärt und zukünftige Raser-Fälle dürften hoffentlich schneller entschieden werden als der Fall der beiden Ku’Damm-Raser.

lrü