SUV, also Stadtgeländewagen, sieht man seit einigen Jahren durchaus häufig. Durch ihre Größe und Form stellen sie für andere Verkehrsteilnehmer allerdings häufig eine größere Gefahr dar. Das AG Frankfurt a.M. ist deshalb nun der Meinung, dass SUV-Fahrer auch höhere Bußgelder bezahlen müssten. Ist die Begründung des Gerichts überzeugend?
Wer über eine rote Ampel fährt, muss ein Bußgeld zahlen. Doch zahlt jeder ein Bußgeld in der gleichen Höhe? Nein, sagen die Richter des Amtsgerichts (AG) Frankfurt a.M. SUV-Fahrer können nach einem aktuellen Urteil des Gerichts mit höheren Bußgeldern bei Rotlichtverstößen belegt werden als Autofahrer anderer Bautypen (Urt. v. 03.06.2022, Az. 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22).
Höheres Bußgeld für SUV-Fahrerin
Vor dem Gericht stand eine Frau, die einen SUV von BMW fährt. Am 05.11.2021 fuhr sie mit ihrem Auto über eine rote Ampel in Frankfurt a.M., obwohl diese schon länger als 1,1 Sekunden rot war. Ihr Vergehen wurde von einem fest installierten Blitzer dokumentiert und daraufhin geahndet. Der Rotlichtverstoß soll der Autofahrerin aus Unachtsamkeit passiert sein.
Ein Rotlichtverstoß führt stets zu einer Bußgeldzahlung. Die im aktuellen Bußgeldkatalogs angeführte Regelstrafe beträgt 200 Euro. Doch das war dem AG Frankfurt a.M. in diesem Fall nicht genug. Für die SUV-Fahrerin erhöhten sie die Strafe auf 350 Euro und verhängten zusätzlich ein einmonatiges Fahrverbot.
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SUV hat „größere abstrakte Gefährdung“
Zur Begründung der ungewöhnlich hohen Strafe führten die Richter an, dass der SUV aufgrund seiner Beschaffenheit eine größere abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr darstelle. Das ergebe sich für die Richter insbesondere durch die „kastenförmige Bauweise“ und die „wegen der größeren Bodenfreiheit erhöhte Frontpartie des Fahrzeugs“. Dadurch sei der Rotlichtverstoß gravierender und gefährlicher als im Normalfall. Die Ampelschaltung ziele schließlich gemäß § 35 der Straßenverkehrsordnung darauf ab, querende Verkehrsteilnehmer vor einer möglichen Kollision zu schützen. Eine Kollision mit einem SUV würde stets ein höheres Verletzungspotenzial innehaben. Der Fall weise also eine Besonderheit auf, die sich von gewöhnlichen Tatumständen unterscheide, weshalb die Regelbuße zu erhöhen sei.
Das Gericht legt in seiner Entscheidung indes nicht fest, welche Autos überhaupt als SUV gelten sollen. Die Richter beschreiben lediglich, dass es sich um einen SUV handeln soll, wenn das Erscheinungsbild des Autos an einen Geländewagen angelehnt sei. Auch hier wirft die Entscheidung Fragen auf. Unklar ist beispielsweise, wie die Richter Elektroautos der Mittelklasse, die wegen der im Unterboden verbauten Akkus oft zu Gunsten der Beinfreiheit höher gelegt werden, einzuordnen wären.
Weiter führte aber auch vorangegangenes Fehlverhalten der betroffenen Autofahrerin zu der erhöhten Bußgeldsumme. Denn zu ihrer Person gab es schon Einträge im Fahreignungsregister. Sie ist unter anderem schon durch überhöhte Geschwindigkeit und Handynutzung am Steuer negativ aufgefallen.
Systematik des Ordnungswidrigkeitenrechts
Nun stellt sich die Frage, ob die Richter hier überhaupt den Ermessensspielraum hatten, um die Form und Größe des Fahrzeugs zu berücksichtigen.
Erstmal ist es so, dass für Ordnungswidrigkeiten – und dazu zählen Verkehrsverstöße – keine Geldstrafen nach Tagessätzen festgesetzt werden, bei der immer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können. Stattdessen wird meist eine feste Summe innerhalb gesetzlicher Rahmen festgesetzt. So der Grundsatz in § 17 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist kein Teil des Straf- sondern des Verwaltungsrechts. Hier werden täglich Massen an Fällen bearbeitet, sodass man schon aus praktischen Gründen nicht jeden Einzelfall individuell anschauen kann, sondern pauschaler arbeiten muss.
Noch weiter pauschalisiert der Bußgeldkatalog (BKatV) die Ahndung von Verkehrsstraftaten mit den Regelsätzen, an die die Richter grundsätzlich gebunden sind. Dieser Katalog sagt, wie eine „durchschnittliche“ Bedeutung der Ordnungswidrigkeit verbindlich einzuordnen ist. Davon können Richter deshalb im Einzelfall nur abweichen, wenn besondere Umstände vorliegen. Das steht direkt in § 1 BKatV: „Die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge sind Regelsätze. Sie gehen von gewöhnlichen Tatumständen (…) aus.“
In § 3 BKatV sind bereits einzelne Abweichungen vom Grundsatz geregelt – allerdings meist ebenfalls schematisch: So erhöhen sich die Regelsätze z.B. bei Vorliegen einer Gefährdung oder Sachbeschädigung nach einer Tabelle. Bei Vorsatz darf verdoppelt werden. Auch Voreintragungen in Flensburg sind nach § 3 Abs. 1 BKatV zu berücksichtigen – was in diesem Fall ja ebenfalls ein Grund für die hohe Strafe war.
Weitere Abweichungen sind also nur bei nicht „gewöhnliche Tatumstände“ möglich, die das Gesetz weder im Regel- noch im Ausnahmefall bereits berücksichtigt. In diesem Fall kann dann für die Bemessung der Geldbuße ausnahmsweise auf § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG zurückgegriffen werden. Danach ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße zum einen „die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit“ und zum anderen „der Vorwurf, der den Täter trifft“. Gemeint ist der individuelle Schuldvorwurf, so wie im Strafrecht, wo es besondere Kriterien der Strafzumessung gibt (§ 46 Strafgesetzbuch).
Begründung des Gerichts überzeugend?
Laut Gericht sollen die außergewöhnlichen Umstände bei einem SUV in der „kastenförmigen Bauweise“ und der „wegen der größeren Bodenfreiheit erhöhten Frontpartie“ liegen. Nur sind das wirklich außergewöhnliche Umstände, die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt hat? Etwa jedes vierte neu zugelassene Auto ist ein SUV. Hinzu kommt, dass der Bußgeldkatalog zumindest bei Rotlichtverstößen nicht einmal zwischen PKW und LKW differenziert, dies an anderer Stelle – etwa bei Geschwindigkeitsüberschreitungen – hingegen sehr wohl tut. Wenn man das vergleicht, zeigt sich, dass der Gesetzgeber die objektive Gefährlichkeit eines Autos bei Rotlichtverstößen offenbar gesehen, aber nicht berücksichtigt hat. Es erscheint daher willkürlich, dennoch ausgerechnet die Bauweise des Autos heranzuziehen, um von der schematischen Regel des Bußgeldkatalogs abzuweichen.
Auch übertragen auf die Praxis zeigt sich, dass eine solche Begründung zu schwierigen Verhältnissen führen würde, welche das pauschale Ordnungswidrigkeitenrecht und der schematische Bußgeldkatalog gerade vermeiden wollen: Wenn man so anfängt, dann erheben umgekehrt bald alle Autofahrer Einspruch gegen Bußgeldbescheide mit der Begründung, in ihrem Fall seien die Umstände des Einzelfalls nicht genug berücksichtigt worden: Die Straße sei ja leer gewesen, der Smart besonders klein, etc. Die Idee schematischer Regelstrafen wäre ad adsurdum geführt und einem behördlichen Chaos Tür und Tor geöffnet.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist aus eben genannten Gründen auch zu bezweifeln, dass sie in einer höheren Instanz aufrechterhalten bleiben wird.
ses/jko