Auf Online-Marktplätzen wie Amazon-Marketplace bieten Händler häufig Waren an, die nicht von ihnen selbst hergestellt werden. Für seine Produkte kann ein Hersteller unabhängig vom Händler, der das Produkt an den Verbraucher verkauft, eine Garantie gewähren. Nach dem BGH müssen Internethändler über solche Herstellergarantien jedoch nicht näher informieren, wenn diese für die Kaufentscheidung der Kunden nicht relevant sind. Der BGH folgte damit einem Urteil des EuGH.

Über Herstellergarantien müssen Internethändler nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nur dann informieren, wenn diese für die Kaufentscheidung der Kunden relevant sind. Das sei dann der Fall, wenn die Garantie ein wesentliches Merkmal des Angebots darstelle, entschied der BGH nun per Urteil (Urteil vom 10.11.2022, Az. I ZR 241/19). Er folgte damit einem im Mai 2022 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Der auf Amazon-Marketplace tätige Versandhändler bot dort Taschenmesser des Schweizer Herstellers „Victorinox“ an. In seinem Online-Angebot machte dieser jedoch keine Angaben zu einer etwaigen Garantie, die der Produzent für seine Produkte gewährt. Über einen Link konnten Kaufinteressenten lediglich ein Informationsblatt des Herstellers zu dem Taschenmesser abrufen. Der Mitbewerber klagte daraufhin gegen den Händler auf Unterlassen solcher Angebote. Begründet wurde die Klage damit, dass auf der Angebotsseite keine ausreichenden Angaben zu der vom Hersteller angebotenen Garantie gemacht wurden und damit gegen die gesetzlichen Garantie-Informationspflichten verstoßen worden sei.

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Das erstinstanzlich zuständige Landgericht (LG) Bochum hatte die Klage des Mitbewerbers abgewiesen (Urt. v. 21.11.2018 Az. I-13 O 110/18). Die daraufhin eingelegte Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urt. v. 26. November 2019, Az. I-4 U 22/19) hatte hingegen Erfolg, so dass der Rechtsstreit schlussendlich im Revisionsverfahren zum BGH gelangte. Der BGH hatte allerdings Zweifel bei der Auslegung der zugrunde liegenden Verbraucherrechterichtlinie und wandte sich zunächst an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens.

EuGH: Informationspflicht gilt nicht uneingeschränkt

Der EuGH entschied daraufhin, dass ein Unternehmer dem Verbraucher Informationen zu einer Herstellergarantie zur Verfügung stellen muss. Voraussetzung sei aber, dass die Information für die Kaufentscheidung relevant sei. Eine generelle Pflicht des Händlers sei hingegen unverhältnismäßig (Urt. v. 05.05.2022, Rs. C-179/21). Hintergrund sei, dass der Verbraucher dazu in der Lage sein müsse, zu entscheiden, ob er einen Vertrag mit dem Händler eingehen wolle oder eben nicht. Eine solche Informationspflicht müsse daher alle wesentlichen Eigenschaften der Ware, sowie grundsätzlich alle mit der Ware verbundenen Garantien umfassen. Hierzu zähle auch eine Herstellergarantie.

Der EuGH stellte jedoch klar, dass eine solche Informationspflicht nicht uneingeschränkt anzunehmen sei. Zwar läge in der Bereitstellung solcher Informationen ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher. Durch eine unbedingte Verpflichtung werde der Unternehmer jedoch dazu gezwungen, mit erheblichem Aufwand die Informationen zur Herstellergarantie zu sammeln und zu aktualisieren. Die Abwägung zwischen dem Schutzniveau für den Verbraucher und der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmers ergebe, dass der Unternehmer nur dann verpflichtet sei, über eine Herstellergarantie zu informieren, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse an der Information habe, um seine Kaufentscheidung treffen zu können.

Ein Interesse des Verbrauchers an der Information sah der EuGH dann als gegeben, wenn die Garantie des Herstellers ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Verkaufsangebots darstelle. Dies sei insbesondere anzunehmen, wenn der Händler die Garantie als Verkaufs- oder Werbeargument nutze, um sein Angebot im Vergleich zu denen der Mitbewerber als besonders attraktiv darzustellen. Weitere Kriterien für die Beurteilung seien der Inhalt und die allgemeine Gestaltung des Warenangebots. Auch inwiefern die Erwähnung der Garantie als Verkaufs- oder Werbeargument von Bedeutung sei oder andere, mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot erwähnt würden, müsse beachtet werden. Teil der Informationen könnten neben der Garantiedauer und dem Geltungsbereich auch der Reparaturort, mögliche Beschränkungen der Garantie sowie Name und Anschrift des Garantiegebers sein.

BGH verneint Informationspflicht im konkreten Fall

Nach dem Urteil des EuGH mussten die Karlsruher Richter nun im nationalen Verfahren darüber entscheiden, ob der Online-Händler näher über die Herstellergarantie hätte informieren müssen – und verneinten dies im Ergebnis. Demnach gelte für Unternehmer eine Informationspflicht nur, wenn der Verbraucher die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots mache und so als Verkaufsargument einsetze.

Das sei in dem zugrundliegenden Rechtsstreit jedoch nicht der Fall, so der BGH. Dafür spreche insbesondere, dass die Garantie auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt wird, sondern sich lediglich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt findet. Auf dieses Produktinformationsblatt gelange der Verbraucher jedoch nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ steht und mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ versehen ist. Dies deute aber eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hin. Erwähnt der Verbraucher die Herstellergarantie jedoch nur beiläufig, stelle diese gerade kein Kaufargument dar, so dass der Unternehmer auch keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen müsse.

Eine Informationspflicht könne sich außerdem auch nicht aus § 479 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben, da diese erst eingreife, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet habe. Dafür genüge der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie jedoch nicht.

Der BGH gab daher der Revision des Online-Händlers statt und hob das Berufungsurteil des OLG auf.

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Praxis: Wann gilt Informationspflicht zur Herstellergarantie?

Auch wenn mit der Entscheidung des BGH der konkrete Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen ist, stellt sich für die Praxis weiterhin die wichtige Frage, wann für Online-Händler eine Informationspflicht zur Herstellergarantie gilt. Die nach diesem Urteil insofern vorzunehmende Abwägung führt allerdings zu dem Ergebnis, dass diese Frage nicht mit einem pauschalen Ja oder Nein beantwortet werden kann. Als Faustformel kann wohl davon ausgegangen werden, dass wenn ein Händler in seinem Angebot werblich auf die Herstellergarantie hinweist, dazu dann auch die entsprechenden weiteren Informationen geliefert werden müssen. Eine Bewertung des konkreten Einzelfalles ist dennoch entscheidend, denn wenn Online-Händler der Informationspflicht nicht nachkommen, riskieren sie eine Abmahnung.

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