Der EuGH hat geurteilt, dass Amazon den DSA einhalten muss und sein Werbearchiv öffentlich zugänglich machen muss. Die erstinstanzliche Entscheidung des EuG, die Anwendung des DSA für Amazon auszusetzen, wurde aufgehoben. Das Hauptsacheverfahren läuft jedoch weiterhin vor dem EuG. Amazon sieht in der Entscheidung einen Verstoß gegen seine Grundrechte und leugnet ein systemisches Risiko für illegale Inhalte, während der EuGH die Sicherheit der EU-Bürger priorisiert.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bewertete in seiner Entscheidung die übergeordneten Ziele des Digital Services Act (DSA), insbesondere die Sicherheit und Transparenz im digitalen Raum, höher als die individuellen Unternehmensinteressen von Amazon. Die Richter befanden, dass eine Aussetzung der DSA-Anforderungen für Amazon die Umsetzung des Gesetzes erheblich verzögern und ein Online-Umfeld riskieren könnte, das die Grundrechte der Nutzer bedroht. Zudem konnte Amazon nicht überzeugend darlegen, dass die Erfüllung der DSA-Pflichten die Existenz oder langfristige Entwicklung des Konzerns gefährden würde (EuGH, Beschluss vom 27.03.2024 – C-639/23).
Einstufung als sehr große Online-Plattform
Im April 2023 hat die Europäische Kommission entschieden, dass Amazon aufgrund seiner Größe und Bedeutung als „sehr große Online-Plattform“ („very large online platform“ – VLOP) im Sinne des DSA einzustufen ist. Diese Einstufung bringt zusätzliche Auflagen für Amazon mit sich, die darauf abzielen, systemische Risiken auf der Plattform zu minimieren und die Sicherheit der Nutzer zu erhöhen. Die Auflagen beinhalten die öffentliche Zugänglichmachung eines Archivs mit detaillierten Informationen über Online-Werbung und die Offenlegung der Funktionsweise seiner Algorithmen.
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Amazon sah in diesen Forderungen eine Verletzung seiner Grundrechte, insbesondere der Datenschutzrechte und der Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit. Das Unternehmen argumentierte, dass der DSA für andere Arten von Geschäftsmodellen konzipiert sei und es auf seiner Plattform kein „systemisches Risiko“ in Bezug auf die Verbreitung schädlicher oder illegaler Inhalte gebe. Amazon reichte daher letztes Jahr am 05.07.2023 Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) ein. Und das mit Erfolg: Das Unternehmen erreichte zunächst eine teilweise Aussetzung der Pflicht zur Offenlegung des Werbearchivs (Az. T-367/23).
Die Freude war jedoch nur von kurzer Dauer, denn die Europäische Kommission legte gegen die Entscheidung des EuG Rechtsmittel beim EuGH ein. Dort folgte dann ein Dämpfer für Amazon: Der EuGH lehnte Amazons Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab und hob den Teil des Beschlusses des EuG auf, der die Offenlegung des Werbearchivs betraf.
Grundrechte vs. Verbraucherschutz: EuGH priorisiert Sicherheit im Online-Umfeld
Nun entschied der EuGH und erklärte, dass der Antrag von Amazon auf Aussetzung ihrer Verpflichtung, ein Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen, zurückzuweisen sei. Der EuGH stellte fest, dass der Europäischen Kommission nicht die Möglichkeit gegeben worden wäre, zu den Argumenten Amazons Stellung zu nehmen, was einen Verstoß gegen den Grundsatz eines kontradiktorischen Verfahrens (Widerspruchsverfahrens) darstellen würde. Daher hätte der Beschluss des EuG, der diese Offenlegungspflicht aussetzte, aufgehoben werden müssen.
Weiterhin heißt es im Urteil, dass die Argumentation von Amazon, die Offenlegungspflicht verletze die Grundrechte des Unternehmens auf Achtung des Privatlebens und unternehmerische Freiheit rechtswidrig, nicht als unbedeutend, aber dennoch als vollständig haltlos angesehen werden könne. Die Tatsache, dass Amazon nach eigenen Angaben einen erheblichen und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden würde, könne allein jedoch nicht als ausschlaggebend angesehen werden. Im Ergebnis gehen die Interessen des Unionsgesetzgebers den materiellen Interessen von Amazon nämlich vor – so der EuGH.
Amazon habe außerdem nicht gezeigt, dass die Existenz oder die langfristige Entwicklung des Online-Händlers auf dem Spiel stünde. Darüber hinaus hätte eine Aussetzung der Veröffentlichungspflicht bedeuten können, dass die vollständige Umsetzung der Ziele des DSA möglicherweise über mehrere Jahre verzögert würde, was wiederum ein Online-Umfeld entstehen oder bestehen lassen könnte, das eine Bedrohung für die Grundrechte von Nutzern darstellt.
Umsetzung des DSA an erster Stelle
Das jüngste Urteil des EuGH signalisiert, dass Amazon, wenn auch widerwillig, die Anforderungen des DSA erfüllen und sein Werbearchiv öffentlich zugänglich machen muss. Diese Entscheidung unterstreicht die Priorisierung des Schutzes der Nutzer im digitalen Raum durch den DSA über die Geschäftsinteressen von Amazon. Es wird deutlich, dass die Sicherheit und Transparenz im Online-Umfeld als übergeordnete Ziele gesehen werden, die auch von den größten Akteuren im digitalen Markt nicht ignoriert werden können. Während Amazon diese Anforderungen nur ungern akzeptiert, hebt das Gericht die Bedeutung der Einhaltung solcher Regulierungen für den Schutz der Grundrechte der Nutzer hervor.
Der EuGH wird sein Endurteil in dieser Sache zu einem späteren Zeitpunkt verkünden. Ein Beschluss, mit dem einstweilige Anordnungen erlassen werden, greift der Entscheidung in der Hauptsache nicht vor.