Ist HelloFresh wirklich „Das erste globale klimaneutrale Kochboxunternehmen“? Die DUH hatte Zweifel daran und klagte vor dem LG Berlin. Vor Gericht stellte sich die Frage, ob Aussagen wie die, dass HelloFresh „100 % ihrer CO2-Emissionen kompensieren“ würde, irreführend seien. Darf sich HelloFresh in Zukunft weiterhin als klimaneutral bewerben?
HelloFresh darf sich nicht mehr als „erstes globales klimaneutrales Kochboxunternehmen“ bezeichnen. Das entschied nun das Landgericht (LG) Berlin. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass Versprechen wie die Klimaneutralität transparent und umfassend begründet werden müssen. Dies sei laut dem LG bei HelloFresh nicht geschehen (Urt. v. 19.09.2023, Az. 102 O 15/23).
„Klimaneutral“ ist ein Label, dass sich immer mehr Unternehmen gerne auf die Fahne schreiben. Jedoch müssen dafür gewisse Voraussetzungen vorliegen. Daher kam es in der Vergangenheit häufiger vor, dass Unternehmen sich nach einem gerichtlichen Beschluss nicht mehr klimaneutral nennen durften. Die DUH leitete im Jahr 2022 mehrere Verfahren gegen Unternehmen wie Danone, Eurowings und auch Netto ein. Nun musste sich der Lieferdienst HelloFresh, für den mittlerweile viele Influencer werben, vor dem LG Berlin verantworten.
Der Verdacht der DUH sollte sich bestätigen: Das Gericht stellte fest, dass HelloFresh Verbraucher irreführend getäuscht habe, indem das Unternehmen behauptete, „Klimaneutralität“ könne im Sinne von CO2-Neutralität durch den Kauf von CO2-Zertifikaten aus einem Waldschutzprojekt in Kenia erreicht werden. Das LG Berlin erklärte, dass Verbraucher zwar wüssten, dass CO2-Neutralität sowohl durch die Vermeidung von Emissionen als auch durch die Kompensation von Emissionen durch Klimaschutzprojekte erreicht werden würde. Auch seien sich die Verbraucher der Gefahr des „Greenwashings“ bei Emissionskompensationen bewusst, wie das LG weiter ausführt. Dennoch würden Kunden erwarten, dass Projekte, die ein Unternehmen unterstützt und konkret vorstellt, tatsächlich positive Auswirkungen auf die Klimabilanz haben würden.
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Die Berliner Richter betonten jedoch, dass im vorliegenden Fall keine Gewissheit darüber bestünde, dass die Kompensation von CO2-Emissionen durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten aus einem Waldschutzprojekt am freiwilligen Kohlenstoffmarkt wirklich ausreiche, um das Produkt oder das Unternehmen als klimaneutral zu bewerben. Obwohl der Waldschutz zweifellos ein wichtiger Faktor im Klimaschutz sei, würde allein dieser Umstand nicht die Behauptung der Klimaneutralität rechtfertigen. Solange es keine allgemein anerkannten Standards gebe, sollten Zweifel an der tatsächlichen Kompensation zu Lasten des werbenden Unternehmens gehen, wie das LG Berlin weiterhin ausführt. Daher habe HelloFresh nicht darauf vertrauen dürfen, dass die von den Zertifikaten behaupteten Erfolge tatsächlich erreicht werden.
HelloFresh hätte Hintergründe der angeblichen Klimaneutralität offenlegen sollen
Zusätzlich wurde kritisiert, dass HelloFresh den Verbrauchern wesentliche Informationen im Sinne von § 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorenthalten habe. Der Begriff „Klimaneutralität“ könnte bei den Verbrauchern die Vorstellung wecken, die Nutzung des Lieferdienstes würde einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. Daher bestand die Notwendigkeit, die Hintergründe dieser angeblichen Klimaneutralität genauer offenzulegen. Darüber hinaus sei die Aufklärungspflicht ohnehin besonders hoch, als es sich um einen „Claim aus einem komplexen Wirkungsgefüge“ handele und Verbraucher aufgrund eines gestiegenen Bewusstseins für den Klimawandel ein stärkeres Interesse an den Einzelheiten hätten.
Insbesondere sollten die Verbraucher darüber informiert werden, ob und wie umfangreich die angepriesene Klimaneutralität durch die Vermeidung oder die Kompensation von Emissionen erreicht werden würde. Schließlich würden Verbraucher nicht davon ausgehen, ein Unternehmen, das mit Klimaneutralität wirbt, verlasse sich lediglich auf den Kauf von CO2-Zertifikaten. Denn so würde der Verdacht des „Greenwashings“ hervorgerufen werden.
Zudem empfand es das LG Berlin als erforderlich, dass HelloFresh die Verbraucher darüber in Kenntnis setzt, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden. Des Weiteren hätte das Unternehmen detaillierter auf den „Verified Carbon Standard“ eingehen sollen, einen privatwirtschaftlichen Standard zur Zertifizierung von Klimaschutzprojekten. Dies sei laut Gericht insbesondere wichtig, weil die Verwendung dieser Bezeichnung bei Verbrauchern den Eindruck erwecken könne, die behauptete Klimaneutralität würde auf allgemein anerkannten und objektiven Grundlagen beruhen. Das Gericht wies auch noch darauf hin, dass es grundsätzlich problematisch sei, Klimaneutralität mit CO2-Neutralität gleichzusetzen. In diesem speziellen Fall sei das jedoch nicht relevant gewesen, da HelloFresh lediglich mit der Kompensation von CO2-Emissionen geworben habe.
Nicht das erste Urteil dieser Art
Das LG Berlin sprach nicht das erste Urteil dieser Art. Inzwischen haben sich immer mehr wettbewerbsrechtliche Entscheidungen mit dem Thema „Klimaneutralität“ befasst. Im Juli berichteten wir bereits über das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im Fall Katjes – damals wollte die Wettbewerbszentrale einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Im selben Monat urteilte das LG Karlsruhe, dass die Drogeriemarktkette dm ihre Produkte nicht mehr als klimaneutral bewerben dürfe.
agr