Dass Werbung versucht, die eigenen Produkte in einem möglichst guten Licht darzustellen, ist jedem bewusst. Wenn Kunden jedoch getäuscht werden, geht es zu weit. Nun hat das LG Essen die Werbeaussage „Kein Mindestumsatz“ als irreführend eingestuft und der Medion-AG untersagt, den Aldi Talk Prepaid-Tarif entsprechend zu bewerben – ein Urteil, das tatsächlich nicht nur für Aldi Talk Kunden interessant ist.

Screenshot von Alditalk.de (6.9.22)

Prepaid-Tarife sollen Smartphone-Nutzer vor hohen Handyrechnungen bewahren und stehen für Kostentransparenz. Häufig werben Mobilfunkanbieter daher mit Versprechen wie „keine monatliche Grundgebühr“ oder „kein Mindestumsatz“. Das Landgericht (LG) Essen hat dieser Praxis nun jedoch einen Riegel vorgeschoben und entschieden, dass Mobilfunkanbieter nur solche Tarife als mindestumsatzfrei bezeichnen dürfen, die es nach der jeweiligen Vertragsgestaltung auch tatsächlich sind (Urt. v. 30.05.2022, Az 1 O 314/21).

Aldi warb für Tarif ohne Mindestumsatz

In dem vom LG zu entscheidenden Fall warb die Medion AG für den „Prepaid-Basistarif“ der Marke Aldi-Talk im Internet mit der Behauptung, dass der Tarif mindestumsatzfrei sei. Tatsächlich sind die Kunden nach den Vertragsbedingungen zunächst auch nicht gezwungen, ein bestimmtes Guthaben in einer bestimmten Zeit zu verbrauchen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist allerdings geregelt, dass das Startguthaben nach Aktivierung der SIM-Karte nur innerhalb eines sogenannten Aktivitätszeitfensters von zwölf Monaten genutzt werden kann. Nach Ablauf dieses Zeitfensters sind die Kunden noch zwei Monate auf dem Handy erreichbar, können aber selbst keine Anrufe tätigen. Um weiter erreichbar zu bleiben, muss das Aktivitätszeitfenster durch Aufladung des Guthabens verlängert werden. Ansonsten wird die SIM-Karte endgültig gesperrt. Zahlen die Kunden hingegen den Mindestbetrag von fünf Euro, verlängert sich das Zeitfenster um vier Monate. Danach ist eine erneute Aufladung nötig. Daneben müssen Kunden für den Fall, dass sie das Maximalguthaben von 200 Euro auf dem Konto erreicht haben, mindestens fünf Euro des Guthabens „abtelefonieren“. Ansonsten ist keine neue Aufladung und damit auch keine Verlängerung des Aktivitätszeitfensters mehr möglich.

Nach mehreren Beschwerden von Aldi-Talk-Kunden erhob der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) Klage beim LG Essen und machte geltend, die Werbeaussage „Kein Mindestumsatz“ widerspräche der tatsächlichen Vertragsausgestaltung und sei daher als irreführend einzustufen. Dieser Auffassung schloss sich nun das LG Essen uneingeschränkt an.

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LG Essen: Werbeaussage „Kein Mindestumsatz“ ist irreführend

Nach Ansicht des Gerichts würden die Kunden aufgrund der Regelungen in den AGB gezwungen, verbrauchsunabhängig Geld zu zahlen, um eine Sperrung der SIM-Karte mit dem Ablauf von zwei Monaten zu verhindern. Die Werbeaussage „Kein Mindestumsatz“ suggeriere hingegen, dass keine weiteren Zahlungen erforderlich seien, damit die Kunden Vertragspartei bleiben und dauerhaft auf dem Handy erreichbar sind. Dass die Verträge zudem auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden, verstärke ein solches Verständnis zusätzlich, so das Gericht.

Weiterhin suggeriere die Aussage im Unterschied zu dem ebenfalls vom Mobilfunkanbieter verwendeten Versprechen „Keine Grundgebühr“, dass Kunden nichts verbrauchen müssten, um die vertraglichen Leistungen zu erhalten. Da die AGB die Kunden bei Erreichen des Maximalguthabens jedoch zum Abtelefonieren von mindestens fünf Euro verpflichten, um das Aktivitätszeitfenster verlängern zu können, bestehe tatsächlich ein Mindestumsatz. Nach Ansicht des Gerichts sei die Werbeaussage daher mit der Vertragsausgestaltung unvereinbar und somit irreführend.

Dass die AGB eine Sperrung der SIM-Karte sowie die Beschränkung der Verlängerungsmöglichkeit bei Erreichung des Maximalguthabens ausdrücklich regeln, ändere daran nichts. Zwar seien derartige Regelungen im Prepaid-Bereich durchaus üblich und als Vereinbarungen im Rahmen von AGB auch zulässig. Davon zu unterscheiden sei jedoch, wie Kunden die Werbeaussage verstehen und verstehen durften. Denn auch wenn Werbung keine Leistungsbeschreibung sei und auch nicht zu den AGB zähle, dürften Kunden drauf vertrauen, dass die Aussagen der tatsächlichen Vertragsausgestaltung entsprechen.

Daher untersagte das LG Essen der Medion-AG den Prepaid-Basistarif weiterhin mit der Aussage „Kein Mindestumsatz“ zu bewerben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht dem Unternehmen außerdem die Zahlung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro.

Urteil nicht nur für Aldi Talk Kunden interessant

Noch ist das Urteil des LG Essen nicht rechtskräftig. Dennoch ist das Urteil bereits jetzt nicht nur für Aldi Talk Kunden interessant. Denn dass Prepaidkarten nach den AGB regelmäßig aufgeladen werden müssen, um das ungewollte Abschalten der SIM-Karte zu vermeiden, ist mittlerweile eigentlich gängige Praxis der Provider geworden. Spannend bleibt daher, wie die übrigen Mobilfunkanbieter auf das Urteil reagieren werden. Aldi Talk hat die Werbeaussage mittlerweile von seiner Webseite entfernt.

akh