Nährwertangaben auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen dürfen sich nicht auf spezielle Zubereitungsarten beziehen, entschied der EuGH. Informationen dieser Art lassen keinen Vergleich mit den entsprechenden Lebensmitteln anderer Hersteller zu.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Nährwertangaben auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen „einfach und leicht verständlich“ sein und einen Vergleich von Lebensmitteln sicherstellen sollten (Urt. v. 11.11.2021, Az. C-388/20). Er begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass Nährwertangaben auf der Vorderseite der Verpackung, die sich auf spezielle Zubereitungsarten beziehen, die Verbraucher verwirren könnten, wenn an anderer Stelle auf der Verpackung dann die Werte je 100 Gramm des Erzeugnisses zum Zeitpunkt des Verkaufs angegeben würden.
Hintergrund der Entscheidung ist ein Rechtsstreit zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und dem Bielefelder Lebensmittelunternehmen Dr. Oetker. Dieses hatte bei einem Müsli mit dem Namen „Vitalis Knuspermüsli Schoko & Keks“ auf der Vorderseite der Verpackung Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz gemacht, die sich ausschließlich auf eine 40-Gramm-Portion Müsli mit 60 Milliliter Milch mit einem Fettgehalt von 1,5% bezogen. Der vzbv sah darin eine „Kalorienschönrechnerei“ und klagte gegen das Vorgehen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH), der sich dann mit Fragen zur Auslegung von EU-Recht an den EuGH wandte.
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Uneinigkeit bei den Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) Bielefeld teilte die Auffassung des vzbv, dass nach den Regelungen der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV), die in der Europäischen Union die Kennzeichnung von Lebensmitteln regelt, bei der Wiederholung der Nährwertangaben auf der Vorderseite der Energiewert zusätzlich je 100 Gramm bezogen auf das nicht zubereitete Produkt angegeben werden müsse (Urt. v. 8.8.2018, Az. 3 O 80/18). Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm widersprach dem aber und entschied, es sei ausreichend, wenn auf der Vorderseite der Müsliverpackung die Nährwertinformationen je 100 Gramm lediglich für eine Mischportion aus Müsli und Milch angegeben werden (Urt. v. 13.6.2019, Az. 4 U 130/18). Das OLG betonte, dass die freiwillige, wiederholende Nährwertangabe auf der Vorderseite der Verpackung des Knuspermüslis den Vorgaben der Verordnung gerecht werde. Die Angaben würden sich nämlich auf die mit 40 Gramm des Produkts sowie 60 Milliliter Milch zubereitete, genau 100 Gramm wiegende Portion beziehen. Diese Möglichkeit räume die LMIV ein.
BGH legt EuGH vor
Die Verbraucherzentrale verfolgte ihre Forderung vor dem BGH weiter. Dieser wandte sich an den EuGH und wollte von ihm wissen, ob es nach den Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der LMIV verboten ist, mit Nährwertinformationen pro Portion des zubereiteten Lebensmittels zu werben, ohne zusätzlich den Brennwert je 100 Gramm des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben. Fraglich sei zunächst, ob die Müsliherstellerin überhaupt zwischen den Bezugsgrößen „Verkauftes Produkt“ und „Zubereitetes Produkt“ wählen durfte. Das hänge davon ab, ob Art. 31 LMIV allein für Lebensmittel gelte, bei denen eine Zubereitung erforderlich und deren Zubereitungsweise vorgegeben sei (wie etwa für Instantsuppen). Gelte die Norm auch für Müsli, welches man auf mehrere Weisen zubereiten kann, habe die Herstellerin die freie Wahl, erklärte der BGH. Der Sinn der LMIV liege darin, dem Verbraucher die Vergleichbarkeit der Produkte in unterschiedlichen Packungsgrößen zu ermöglichen. Die Informationen sollten einfach und leicht verständlich sein. Da man das Knuspermüsli auf vielerlei Arten zubereiten könne, seien die Angaben für das essfertige Produkt für einen Vergleich nicht brauchbar, so die Karlsruher Richter. Wechsle die Herstellerin innerhalb einer Packung zwischen den Bezugsgrößen Trockenmüsli und dem essfertigen Müsli, erhöhe sie die Gefahr der Irreführung der Verbraucher.
EuGH: Nährwertangaben müssen „einfach und leicht verständlich“ sein
Auch der EuGH verwies darauf, dass die Informationen zum Nährwert „einfach und leicht verständlich“ sein und einen Vergleich von Lebensmitteln sicherstellen sollten. Bei Müsli erfordere dies, dass sich die Angaben auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs beziehen. Der Grund dafür sei, dass es außer mit fettarmer Milch zum Beispiel auch mit Joghurt, Quark, Fruchtsäften oder Früchten zubereitet werden könne. Zudem könnten die Informationen auf der Vorderseite die Verbraucher auch verwirren, wenn an anderer Stelle auf der Verpackung dann die Werte je 100 Gramm des Erzeugnisses zum Zeitpunkt des Verkaufs angegeben würden. Damit waren die von Dr. Oetker verwendeten Angaben nicht zulässig.
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