Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale und der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte muss der Begriff „klimaneutral“ erläutert werden. Verursache ein Hersteller bei Der Produktion CO2-Emmissionen und kompensiere dieses lediglich, sei der Begriff „klimaneutral“ irreführend. Anders entschied jetzt jedoch überraschend das OLG Schleswig: „Klimaneutral“ sei ein eindeutig bestimmbarer Begriff, der keiner weiteren Erläuterung bedürfe.
Unsere Gesellschaft wird in ihrem Konsumverhalten immer bewusster. „Geiz ist geil“ gilt da schon lange nicht mehr. Natürlich passt sich da auch die Werbung an das sich wandelnde Konsumentenbewusstsein an. Unternehmen, die Umsatz generieren möchten, konkurrieren jetzt nicht mehr darum, wer den günstigsten Preis hat, sondern wessen Produkte die beste Bio-Qualität oder den besten ökologischen Fußabdruck haben. Damit die Konsumenten durch Werbung mit Umweltaussagen nicht in die Irre geführt werden, unterliegen Bewerbungen mit Begriffen, wie z.B. „klimaneutral“ strengen Vorgaben. Hierzu gibt es mittlerweile auch zahlreiche Urteile.
Produktbewerbung mit „klimaneutral“
Dass Werbung nicht irreführend sein darf, ist nichts Neues. Wie aber kann die Bewerbung eines Produkts als „klimaneutral“ den Verbraucher irreführen? Die Wettbewerbszentrale argumentiert, dass dadurch der falsche Eindruck entstehen kann, dass das Produkt selbst klimaneutral hergestellt worden ist und sich die Klimaneutralität nicht durch gekaufte CO₂ -Emissions-Zertifikate ergibt. Die Unternehmen weisen oft gar nicht bis unzureichend darauf hin, woraus sich die Klimaneutralität ergibt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Rechtsprechung dahingehend bereits einen strengen Maßstab vorgegeben, der mittlerweile auch von vielen deutschen Gerichten berücksichtigt wird (BGH I ZR 238/87 ; I ZR 140/94).
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Es bestehe ein besonderes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt der in der Werbung verwendeten Begriffe und Zeichen. Wird in der Werbung besipielsweise ein Toilettenpapier als „aus Altpapier“ beworben, ist dies irreführend, wenn das Produkt nicht zu 100%, sondern nur zu 80% aus Altpapier hergestellt ist.
Das OLG Hamm entschied, dass auch Werbeaussagen, wie z.B. „CO² Reduziert“, „Umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“, „Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“ nicht den strengen Anforderungen, an irreführungsausschließende, aufklärende Hinweise im Bereich der umweltbezogenen Werbung genügen. Zur Begründung führte das Gericht an, dass die Werbeaussagen unklar sind und es an den erforderlichen aufklärenden Hinweisen fehlte. Die erforderlichen Hinweise zur Aufklärung richten sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ (Az. 4 U 57/21).
Das LG Bochum entschied im Februar 2021, dass in einer Bewerbung eines Produkts als „klimaneutral“ eine Irreführung liegt, sofern die wesentliche Information zur Erläuterung, dass die Klimaneutralität mit dem Kauf von CO₂-Zertifikaten erreicht wird, fehlt. Diese Information müsste mindestens durch eine Verlinkung innerhalb der Werbung erreichbar sein (Az. 8 O 17/21).
Auch das LG Oldenburg schließt sich dem an und begründet seine Entscheidung damit, dass man keineswegs davon ausgehen kann, dass der durchschnittliche Verbraucher den Begriff „klimaneutral“ in jedem Fall und ausschließlich im Sinne einer (durch Kompensation oder Erwerb von CO₂-Zertifikaten) ausgeglichenen CO₂-Bilanz versteht. Denn je nach technischer und/oder naturwissenschaftlicher Vorbildung ist nicht ausgeschlossen, dass ein Verbraucher den genannten Begriff im Sinne nicht vorhandenen oder nicht relevanten CO₂-Ausstoßes deutet (etwa bei Einsatz erneuerbarer Energien, Einsatz eines CO₂-Filters o.ä.). Eine Werbung mit Umweltaussagen kann also mehrdeutig verstanden werden und deshalb treffen die unternehmen hier besondere informationspflichten, um die Verbraucher transparent über das Zustandekommen der Klimaneutralität aufzuklären (Az. 15 O 1469/21).
Aufsehen erregte kürzlich indes eine gegenläufige Entscheidung des OLG Schleswig (6 U 46/21). Anders als bislang alle anderen Oberlandesgerichte und auch die Vorinstanz (Az. 14 HKO 99/20) werteten die Richter die neben dem Warenlogo auf Müllbeuteln des Herstellers „Pely“ aufgedruckte Werbeaussage „klimaneutral“ als zulässig und „nicht per se irreführend“. Zunächst lasse der Begriff „klimaneutral“ entgegen der Auffassung der Wettbewerbszentrale nicht darauf schließen, dass das herstellende Unternehmen ausschließlich klimaneutrale Ware produziere. Darüber hinaus enthalte der Begriff der „Klimaneutralität“ – anders als der unscharfe Begriff der Umweltfreundlichkeit – eine eindeutige Aussage, nämlich die, dass das Produkt eine ausgeglichene CO2-Bilanz aufweist. Hingegen enthalte die Angabe „klimaneutral“ nicht auch die weitere Erklärung, dass die ausgeglichene CO2-Bilanz durch gänzliche Emissionsvermeidung bei der Produktion erreicht werde. Vielmehr ergebe sich aus der DIN EN ISO 14021, dass CO“-Neutralität sowohl durch einen Carbon-Footprint von Null als auch durch eine ausgeglichene Emmissionsbilanz erreicht werden könne. Eine Irreführung liege erst Recht nicht vor, wenn die Angabe mit dem deutlich sichtbaren Hinweis verbunden sei, dass Klimaschutzprojekte unterstützt würden. Dies war bei den streitgegensändlichen Müllbeuteln der Fall, wobei entscheidend war, dass der Hinweis ohne ein Drehen der Verpackung gleichzeitig mit dem Markenlogo und dem Zusatz „klimaneutral“ ins Auge fiel.
Auch das LG Klewe entschied im August 2022, dass der Begriff „klimaneutral“ nicht irreführend sei (Az. 8 O 44/21). Konkret ging es um eine Werbung des deutschen Süßwarenherstellers Katjes in der Lebensmittelzeitung (LZ). Die Anzeige enthielt dabei die Aussage „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.“ Tatsächlich läuft der Produktionsprozess des Unternehmens aus Emmerich jedoch nicht klimaneutral ab, vielmehr werden freigesetzte CO2-Emissionen durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten kompensiert. Ein Hinweis darauf fand sich in der Reklame indes nicht. Das war aber auch nicht nötig, stellten die Klewer Richter klar: Die Lebensmittelzeitung richte sich an Verantwortliche aus Handel und Konsumgüterindustrie, also an ein Fachpublikum. Diesem Fachpublikum sei aber bekannt, dass klimaneutral nicht emissionsfrei bedeute, sondern auch durch Kompensation erreicht werden könne. Dass die Lebensmittelzeitung auch von Konsumenten erworben und gelesen werden kann, hielten die Landesrichter hingegen für unerheblich.
EU-Leitfaden vereinheitlicht Kennzeichnungspflichten
Auf europäischer Ebene sollen umweltbezogene Werbeaussagen demnächst einem Leitfaden unterliegen, an den sich die Unternehmen halten sollen. Dadurch sollen die Kennzeichnungspflichten auf europäischer Ebene vereinheitlicht werden. Festgehalten werden diese Leitlinien voraussichtlich in der „Green Claims Verordnung“ im Rahmen des Green Deal der EU-Kommission. Dieser beinhaltet Ziele, wie z.B., dass bis 2030 die Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 5% gesenkt werden sollen oder dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein soll.
Ob und wie die Kommission die Verordnung verabschiedet bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings, dass die Vereinheitlichung umweltbezogener Werbeaussagen ein Ziel im Rahmen des Green Deal ist.