Der Bundesgerichtshof hat in gestern veröffentlichten Pressemitteilungen auf die Verhandlungstermine zweier höchst interessanter Streitigkeiten hingewiesen. Zum einen entscheidet der BGH über die Patentklage von Motorola gegen Microsoft. In einer weiteren Patentklage von Motorola gegen Apple wird sich der BGH mit einem Patent zum Entsperren des Touchscreens mittels einer Wischbewegung beschäftigen.

Terminhinweis des BGH (X ZR 144/13): Patentnichtigkeitsklage gegen Microsoft

In der Patentnichtigkeitsklage der Motorola Mobility Germany GmbH gegen die Microsoft Corporation wird der BGH am 08.09.2015 über die Mitteilung von Systemverwaltungsereignissen in einem Datenverarbeitungssystem entscheiden. Microsoft ist seit dem 3. Mai 1995 Inhaber des durch Motorola angegriffenen europäischen Patents 651328.

Das Streitpatent trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „Event architecture for system management in an operating system“. Es betrifft die Mitteilung von Systemverwaltungsereignissen in einem Datenverarbeitungssystem. Es schlägt im Wesentlichen vor, zur Ereignismitteilung in einem Betriebssystem eine objektbasierte Kommunikation vorzusehen, wobei der Kommunikationspfad durch die Weitergabe von Schnittstellenzeigern aufgebaut und die Kommunikation über standardisierte Schnittstellen ermöglicht wird.

Das Bundespatentgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und das Streitpatent nach Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche eine eingeschränkte, von Microsoft mit Hilfsantrag II verteidigte Fassung erhalten haben. Der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung sei nicht neu und damit nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ i.V.m. Art. 54 Abs. 1 EPÜ). Hilfsantrag I sei unzulässig, weil er den Schutzbereich des Streitpatents erweitern würde (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 4 IntPatÜbkG). In der Fassung des Hilfsantrags II habe das Streitpatent hingegen Bestand. Sein Gegenstand gehe in dieser Fassung nicht (unzulässigerweise) über den Inhalt der Patentanmeldung hinaus (Art. II § 6 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG) und sei neu und erfinderisch. Es handele sich beim Gegenstand des Streitpatents auch nicht um reine Software, so dass das Verbot, Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche unter Patentschutz zu stellen (Art. 52 Abs. 2 Buchst. c, Abs. 3 EPÜ), nicht eingreife.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Vorinstanz:

BPatG, Urteil vom 08.07.2013 – 2 Ni 81/11 (EP)

Terminhinweis des BGH (X ZR 110/13): Patentnichtigkeitsklage gegen Apple 

Am 25.08.2015 wird sich der BGH um einen Patentstreit zwischen der Motorola Mobility Germany GmbH und der Apple Inc. beschäftigen. Dabei geht es um das Entsperren des Touchscreens durch  eine „Wischbewegung“.

Die Beklagte – Apple Inc. – ist Inhaberin des am 30. November 2006 angemeldeten und am 10. März 2010 erteilten europäischen Patents 1 964 022 (im Folgenden: Streitpatent). Die Klägerinnen – Motorola Mobility Germany GmbH und Samsung Electronics GmbH – haben das Streitpatent mit zwei vom Bundespatentgericht miteinander verbundenen Patentnichtigkeitsklagen angegriffen.

Das Streitpatent betrifft eine Maßnahme zum Entsperren einer tragbaren elektronischen Vorrichtung mit berührungsempfindlicher Anzeigevorrichtung (Touchscreen), bspw. ein Mobiltelefon. Nach den Ausführungen der Patentschrift war es bekannt, Touchscreens gegen unabsichtliche Funktionsauslösung durch zufälligen Berührungskontakt zeitweise zu sperren. Ebenfalls schildert das Streitpatent das Entsperren eines Touchscreen u.a. durch Berührung bestimmter Bildschirmfelder in einer vorgegebenen Reihenfolge als bekannt. Das Streitpatent erkennt ein Bedürfnis, das Entsperren benutzerfreundlicher zu gestalten und dem Benutzer dabei ein „sensorisches Feedback“ zu geben. Es schlägt daher im Wesentlichen vor, das Entsperren des Touchscreen dahin auszugestalten, dass der Nutzer zum Entsperren auf der Berühroberfläche eine bestimmte Geste („Wischbewegung“) ausführen soll, wobei dem Nutzer zur Vereinfachung auf dem Bildschirm eine grafische Hilfestellung gegeben wird.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung von 14 Hilfsanträgen gemäß Art. II § 6 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten wie in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung sei nicht patentfähig (Art. 52 Abs. 1 EPÜ), weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Art. 56 Satz 1 EPÜ). Die Merkmale der Lehre des Streitpatents, die über den nächstkommenden Stand der Technik hinausgingen, seien bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie kein technisches Problem lösten. Nach diesen Merkmalen werde vielmehr lediglich durch grafische Maßnahmen die Bedienung für den Benutzer vereinfacht.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsrechtszug hat die Samsung Electronics GmbH die von ihr eingereichte Nichtigkeitsklage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Die im Rechtsstreit verbliebene Klägerin – Motorola Mobility Germany GmbH – verteidigt das angefochtene Urteil. Die Lehre des Streitpatents sei, so meint sie, selbst bei Berücksichtigung der vom Bundespatentgericht außer Acht gelassenen Merkmale nicht neu (Art. 54 Abs. 1 EPÜ), beruhe aber zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 Satz 1 EPÜ).

Vorinstanz:
BPatG, Urteil vom 04.04.2013 – 2 Ni 59/11 (EP)

(TOS)