Ein des­in­fi­zie­ren­des Hand­gel ist kein Kos­me­tik­pro­dukt. Daher greift für das Handgel einer Drogeriemarktkette eine Aus­nah­me von der EU-Bio­zid-Ver­ord­nung nicht. Ohne Zulassung oder Registrierung darf es deshalb nicht weiter ver­kauft wer­den, so das VG Karls­ru­he.

Eine bundesweit bekannte und aktive Drogeriemarktkette bietet unter der Bezeichnung „Reinigungs-Handgel“ sowie „Reinigendes Handgel“ drei Produkte ihrer Eigenmarken an. Dies in farbigen Kunststoffbehältern, die mit Schmetterlingen, Clementinenspalten oder Häschen verziert und jeweils mit einem Henkel versehen sind.

Das Regierungspräsidium Tübingen untersagte den Vertrieb, solange die Produkte nicht über eine Zulassung nach der sogenannten Biozid-Verordnung der Europäischen Union oder eine entsprechende Registrierung verfügten. Die Produkte enthielten als Hauptbestandteil Ethanol (Alkohol) und müssten bei der Verwendung ebenso wie ein Biozid-Produkt einige Zeit auf der Haut einwirken. Daher seien die Regelungen der Biozid-Verordnung anwendbar.

Die Drogeriemarktkette wandte daraufhin ein, dass es sich bei den Produkten um Kosmetikprodukte handle. Für diese sehe das Unionsrecht jedoch eigene Regelungen in der sogenannten Kosmetik-Verordnung vor. In den Reinigungsgelen sei jeweils mindestens ein Duftstoff sowie ein Inhaltsstoff mit pflegender Wirkung enthalten. Sie würden als kosmetische Mittel angeboten und erweckten für den Verbraucher auch nicht den Eindruck eines Biozid-Produkts. Die Biozid-Funktion sei allenfalls zweitrangig.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Desinfizierendes Handgel kein Kosmetikprodukt

Dieser Argumentation folgte das VG jedoch nicht. Das VG nahm die Produkte während des Verfahrens selbst in Augenschein und entschied daraufhin, dass die Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen rechtlich nicht zu beanstanden sei (VG Karlsruhe, Az. 3 K 2412/22).

Die Biozid-Verordnung sei anwendbar. Zwar seien Kosmetikprodukte von deren Anwendungsbereich ausgenommen, allerdings treffe dies auf die Reinigungsgele der Drogeriemarktkette nicht zu. Die Unterscheidung zwischen einem Biozid-Produkt und einem kosmetischen Mittel richte sich nach einem abstrakt-objektiven Maßstab. Es komme darauf an, wie das Produkt für einen durchschnittlichen Verbraucher in Erscheinung trete.

Bei den Reinigungsgelen der Drogeriemarktkette sei ein Alkoholgeruch unmittelbar nach dem Auftragen intensiv wahrnehmbar. Auch seien deutliche Warnhinweise auf den Kunststoffbehältern angebracht, die unter anderem auf eine hohe Entzündlichkeit der Produkte aufmerksam machten. Zudem würden die Reinigungsgele in den Ladengeschäften zwischen den Handdesinfektionsmitteln platziert.

In der Gesamtbetrachtung gehe der Verbraucher daher nicht von einem Kosmetikprodukt aus. Die Reinigungsgele seien für eine Anwendung ohne Wasser gedacht und zielten auf das selbständige Abtöten von Keimen und Bakterien ab. Solchen Mitteln fehle der für ein Kosmetikprodukt erforderliche Reinigungseffekt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Drogeriemarktkette kann einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim stellen.

Das Urteil zeigt, dass der Verkauf von desinfizierenden Produkten wie Handgels hohen rechtlichen Hürden unterliegt. Daher sollten Sie sich als Unternehmen zuvor rechtlich absichern, um keine kostspieligen Folgen tragen zu müssen. Unsere Rechtsexperten stehen Ihnen jederzeit beratend zur Seite. Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

tsp