Wer­bung für Bio­zid­pro­duk­te ist nach Vorgaben der EU nur be­schränkt erlaubt. Ins­be­son­de­re dür­fen Produktrisiken z.B. von Desinfektionsmitteln nicht „verheimlicht“ wer­den. Bio­zid­pro­duk­te dürfen daher u.a. nicht als „haut­freund­lich“ be­wor­ben wer­den.

Desinfektions-Hand-Schaum-Werbung

Die Werbeangaben „Sanft zur Haut„, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „Konsumenten sind überzeugt – 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ für ein Biozidprodukt stellen Angaben dar, die als „ähnliche Hinweise“ unter das Verbot der Biozidverordnung fallen. Der Vorschrift in der Biozidverordnung liege zudem eine abstrakte Irreführungsgefahr zugrunde, so dass dem angesprochenen Verkehrskreis keine Relevanz zukomme. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und damit die Rechtsprechung des Europäische Gerichtshofs (EuGH) fortgeführt (BGH, Urteil vom 23.01.2025, Az. I ZR 197/22).

Desinfektions-Hand-Schaum „Sanft zur Haut“?

Ein Wettbewerbsverband hatte das deutsche Tochterunternehmen eines schwedischen Konzerns verklagt, da dieses nach Überzeugung des Verbands gegen die Biozidverordnung verstoßen habe. Das Unternehmen vertreibt in Deutschland Produkte, darunter ein Desinfektions-Hand-Schaum. Für diesen Hand-Schaum, der alkoholfrei ist und keine Duftstoffe enthält, hatte das Unternehmen am 30. April 2021 in der Lebensmittel Zeitung mit den Aussagen „Sanft zur Haut„, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ sowie „Konsumenten sind überzeugt – 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ geworben. Diese Angaben waren nicht nur in der Werbeanzeige, sondern auch auf dem Etikett des beworbenen Produkts zu finden.

Nachdem eine Abmahnung des Wettbewerbsverbands erfolglos blieb, erhob dieser Klage und forderte, dass dem Unternehmen untersagt werde, mit den genannten Aussagen für das Produkt zu werben. Zudem verlangte der Verband die Zahlung von 374,50 € nebst Zinsen.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Der Verband begründete seinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Werbeaussage „100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ zusätzlich mit einer möglichen Irreführung der Verbraucher. Seiner Auffassung nach fehle eine ausreichend repräsentative wissenschaftliche Studie, die diese Werbeaussage stütze. Diesen Punkt hatte das Unternehmen anerkannt, sodass das Landgericht (LG) Mannheim das Unternehmen entsprechend verurteilte. Im Übrigen hatte es die Klage abgewiesen.

In der Berufungsinstanz verfolgte der Verband insbesondere den Antrag zur Aussage „100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ weiter, diesmal gestützt auf einen Verstoß gegen die Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe wies die Berufung jedoch zurück. Gegen diese Entscheidung legte der Verband sodann Revision ein.

Verstoß gegen Biozidverordnung

Der BGH gab nun dem Verband recht und hob das Urteil des OLGs auf. Der BGH entschied, dass die Werbung für das Desinfektionsmittel mit den Aussagen „Sanft zur Haut„, „Hautfreundliche Produktlösung als Schaum“ und „100 % bestätigen die Hautverträglichkeit“ gegen die Biozidverordnung verstoße.

Alle drei Werbeaussagen würden lediglich eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektions-Hand-Schaums hervorheben, während sie keinerlei Risiken erwähnten. Dabei sei es unerheblich, dass mit den Angaben konkret auf das Empfinden und die Reaktion der Haut abgestellt werde und keine generalisierenden Begriffe verwendet würden. Werbeaussagen, die Produktrisiken verharmlosen oder sie sogar gänzlich abstreiten, seien nach der Biozidverordnung nicht erlaubt.

Die beanstandeten Aussagen seien nach Überzeugung des BGH auch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts, insbesondere mögliche schädliche Nebenwirkungen, zu verharmlosen. Dies gelte unabhängig davon, ob in der Werbung darüber hinaus gesagt oder suggeriert werde, das Produkt sei insgesamt und mit allen seinen Wirkungen unschädlich, natürlich, ungiftig oder ähnlich harmlos. Die Betonung positiver Eigenschaften könne zudem in Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren, zu einer übermäßigen Verwendung des Desinfektionsmittels führen.

Risiken verharmlost

Dem Verbot stehe auch nicht ein möglicherweise geringes Gefährdungspotenzial des angegriffenen Biozidprodukts oder der Umstand entgegen, dass es im vereinfachten Verfahren zugelassen worden sei. Die Biozidverordnung differenziere zwar grundsätzlich nach dem Grad der Gefährlichkeit der Biozidprodukte. Schon das OLG habe aber zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kreis der Angaben, die als „ähnliche Hinweise“ verboten seien, nicht von dem Gefährdungspotenzial des jeweils konkret betroffenen Biozidprodukts abhänge.

Das ergäbe sich bereits daraus, dass nach der Biozidverordnung die Werbung für ein Biozidprodukt auf keinen Fall die Angabe „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“ enthalten dürfe (Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Fall 1). Dieses absolute Verbot gelte unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um ein Biozidprodukt mit geringen Risiken für Mensch, Tier und Umwelt handele. Das entspreche auch der Sichtweise des EuGH, der darin eine allgemeine Regelung für die Werbung für Biozidprodukte sah, die sich auf die Reaktion der Verbraucher auf die Wahrnehmung der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt stütze und unabhängig von den tatsächlichen Risiken und Eigenschaften dieser Produkte gelte.

Darüber hinaus bestimme nicht nur das Maß der Schädigungseignung, sondern auch der Umgang mit diesem Produkt, ob das Ziel der Biozidverordnung, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zu gewährleisten, erreicht werde. Auch bei weniger schädlich wirkenden Produkten könne deren unsachgemäße oder übermäßige Handhabung Gefahren für Mensch, Tier oder Umwelt begründen.

Das Unternehmen wurde daher dazu verurteilt, die Werbung mit den drei Aussagen zu unterlassen.

tsp