Es wird teuer für den Computerspieleentwickler Valve und weitere Verleger von Videospielen: Die Unternehmen verstießen nach einer Entscheidung der Europäischen Kommission am 21. Januar 2021 gegen EU-Kartellrecht und erhalten daher Geldbußen in Höhe von insgesamt 7,8 Millionen Euro. Der Grund: Die Spieleentwickler hätten verhindert, dass die von ihnen vertriebenen Videospiele in anderen EU-Ländern aktiviert werden können.
Valve ist unter anderem als Betreiber der Spieleplattform Steam bekannt. Valve und weitere Akteure, namentlich Focus Home, ZeniMax (Bethesda), Koch Media, Capcom und Bandai Namco verhinderten beim Erwerb von Spieletiteln, die zwischen 2007 und 2018 als legale Ladenware in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Estland, Lettland und Litauen verkauft worden waren, die Nutzung in Deutschland. Dadurch beschränkten sie den freien Zugang zu den Spielen durch die Verbraucher und die Möglichkeit des freien Erwerbs von Computerspielen innerhalb des Binnenmarktes der Europäischen Union. Die EU-Kommission stellte einen Verstoß gegen das so genannte Geoblocking-Verbot im EU-Kartellrecht fest. Betroffen wären ungefähr 100 Computerspiele verschiedener Gattungen, darunter Sport-, Simulations- und Actionspiele, heißt es in der Mitteilung der Kommission.
Was ist Geoblocking?
Geoblocking liegt vor, wenn es europäischen Verbrauchern oder endverbrauchenden Unternehmen durch Anbieter, die innerhalb des EU-Binnenmarkts tätig sind, nicht ermöglicht wird, grenzüberschreitend Waren oder Dienstleistungen zu erwerben. Gleiches ist der Fall, wenn die Waren oder Dienstleistungen nicht zu den gleichen Bedingungen wie für Inländer angeboten werden.
Grundsätzlich unzulässig sind Diskriminierungen wegen Wohnsitz, Ort der Niederlassung oder Staatsangehörigkeit des Kunden. Es gilt: Kunden im EU-Ausland sollen grenzüberschreitend wie Einheimische einkaufen können („shop like a local“). Geoblocking ist durch die Portabilitätsverordnung seit 2018 verboten.
Soforthilfe vom Anwalt
Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Aktivierungscodes für Spiele mit Länderbeschränkungen
Seit dem Jahr 2000 binden die meisten Hersteller die Nutzung ihrer Spiele an Aktivierungsvorgänge. Durch die Nutzung eines immer stärker ausgefeilten servergestützten Digital Rights Managements (DRM) haben Vertreiber die Möglichkeit, die Verbreitung der Spiele technisch zu kontrollieren.
Durch die einmalige Registrierung und Aktivierung von Spielen werden diese an den Online-Account des Besitzers gebunden. Das verhindert als praktischen Nebeneffekt die Weitergabe der gebrauchten Spiele. Dies hält auch der BGH für zulässig (BGH, Urteil v. 11.02.2010, Az. I ZR 178/08, „Half-Life 2“).
Zwischen Valve und jeder der fünf anderen Firmen bestanden Vereinbarungen in Bezug auf länderbeschränkt einsetzbare sogenannte Steam-Codes.
Steam ist das System, das sich als dominierende Aktivierungsplattform für Spiele durchgesetzt hat. Über Vereinbarungen mit Valve lassen auch andere Vertreiber die Exemplare ihrer Spiele an Steam-Codes binden und überlassen der Plattform das Aktivierungsmanagement.
Vereinbarkeit mit dem EU-Recht?
Der EU-Wirtschaftsraum stellt als Verbreitungsgebiet für Spiele eine Einheit dar. Als Folge des Wohlstandsgefälles können Vertreiber jedoch nicht überall die gleichen Ladenpreise für ihre Produkte verwirklichen. Daraus ziehen Verbraucher ihren Nutzen: Ihre Spiele besorgen sie sich billig in anderen EU-Mitgliedstaaten und aktivieren sie dann per mitgeliefertem Steam-Code von Deutschland aus.
Genau dieses Vorgehen wollten europaweit agierende Vertreiber verhindern und haben sich eine Option des Steam-Systems zunutze gemacht, das die Länderbeschränkungen für Aktivierungscodes ermöglicht. Das in Rumänien erworbene Spiel kann also nicht mehr in Deutschland aktiviert werden. Nach EU-Recht ist eine solche Vorgehensweise allerdings unzulässig. Diese Art von Geoblocking verstößt gegen Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
Danach sind Unternehmensvereinbarungen, die den zwischenstaatlichen Handel im EU-Binnenmarkt beeinträchtigen können und den Wettbewerb verhindern, einschränken oder verfälschen, verboten. Verbraucher und Verbraucherinnen sollen sich das beste Angebot in der gesamten EU aussuchen und so den Vorteil des digitalen Binnenmarktes vollumfänglich nutzen können. Aufgrund der Kooperation aller fünf Unternehmen mit der Kommission im Verfahren reduzierten sich ihre Geldbußen. Allein Valve zeigte sich nicht kooperativ und handelte sich ein Bußgeld in Höhe von mehr als 1,6 Millionen Euro ein.
Neben den verhängten Bußgeldern steht es Unternehmen und Personen, die von dem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, frei, Schadensersatzansprüche vor den Gerichten der Mitgliedstaaten geltend zu machen. Für die betroffenen Firmen ist die Angelegenheit also noch nicht beendet. Die Nutzer können sich allerdings freuen: Innerhalb der EU dürfen Spiele frei erworben werden. Wenn das Spiel also zum günstigsten Preis im EU-Nachbarland erworben werden kann, steht dem nichts im Wege.
lrö