Wann müssen Schockbilder etwa von verfaulten Zähnen, Raucherbeinen, Krebsgeschwüren oder Warnhinweise wie „Rauchen kann tödlich sein“ beim Zigarettenkauf im Supermarkt für die Kunden zu sehen sein? Erst auf der Zigarettenschachtel selbst, oder auch auf jedem Bild, das Kunden mit Packungen von Tabakerzeugnissen assoziieren? Diese Frage hat nun der BGH abschließend geklärt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied auf Klage der deutschen Nichtraucher-Initiative Pro Rauchfrei, dass schon Auswahltasten bei Zigarettenautomaten an Supermarktkassen Warnhinweise haben müssen – dies gelte zumindest dann, wenn Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Tasten seien (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2023, Az. I ZR 176/19, Zigarettenausgabeautomat III). Das Urteil jedoch geht der Nichtraucher-Initiative nicht weit genug. Sie hatten sich erheblich mehr versprochen.
Geklagt hatte die Initiative, da an den Kassen zweier Münchener Supermärkte Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten wurden. Die Zigarettenpackungen waren mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollten, mussten durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wurde dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entschied und von einem Kauf der Zigaretten absah. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten waren mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigten, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet waren. Diese Abbildungen zeigten jedoch keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise, weshalb die Nichtraucher-Initiative wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) auf Unterlassung klagte.
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Vor dem Landgericht (LG) München I (Az. 17 HK O 17753/17) und dem Oberlandesgericht (OLG) München (Az. 29 U 2440/18) war die Initiative bislang unterlegen. Der BGH hatte sodann das Verfahren im Juni 2020 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vier Fragen zur Auslegung der EU-TabakerzV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hatte diese Fragen jedoch daraufhin nur teilweise beantwortet. Da es für die Entscheidung des BGH auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hatte der BGH das Verfahren in der Folge erneut dem EuGH vorgelegt. Dieser hatte die weiteren Fragen dann mit Urteil vom 9. März 2023 (Rechtssache C-356/22) beantwortet. Er entschied, dass wenn Zigarettenpackungen, die in einem Automaten von außen nicht sichtbar seien, auch die Schockbilder auf den Päckchen nicht zwangsläufig zu sehen sein müssten.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH folgte nun die Entscheidung des EuGH. Die TabakerzV bestimme, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürften. Aus der Vorabentscheidung des EuGH ergebe sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht würden. Allerdings seien gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten würden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar seien. Könne der Verbraucher – wie im hiesigen Fall – die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, werde er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden solle.
Allerdings müssten gemäß der TabakerzV auch Verpackungsabbildungen, die zu Werbezwecken genutzt werden, den Anforderungen der TabakerzV genügen. Nach der Vorabentscheidung des EuGH liege eine Abbildung nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung an eine Zigarettenpackung erinnere. Von einer solchen Abbildung gehe ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie müsse daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.